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«Wandzeitung» vom 23.2.2017:

Unkenrufe aus dem Superblock:

Wer versteht was?

Ja, neustens wird viel geschrieben über die Meinungsverschiedenheiten unter den Stadtratsmitgliedern, und dass ihre Uneinigkeiten öffentlich ausgetragen werden. Schnell wird zur Feder gegriffen, wenn interne Streitigkeiten an die Öffentlichkeit gelangen und mindestens teilweise in den Medien auch ausgetragen werden. Dabei bin ich mir nicht so sicher, ob es einer früheren Regierung nicht gleich ergangen wäre. Gewiss, in den letzten drei Regierungsperioden von Urs Widmer, über Martin Haas bis hin zu Ernst Wohlwend sind Meinungsverschiedenheiten nicht in überflüssige und unergiebige Fehden übergeschwappt. Und doch möchte ich nicht die Hand ins Feuer legen und behaupten, den früheren Regierungen wären solche auf der Oberfläche der Kommunikation spielende Meinungsdifferenzen im Superblock nicht passiert. Genauso wenig prognostiziere ich dem künftigen Regierungsgremium, wer immer das 2018ff. im Einzelnen auch sei, vor öffentlich ausgetragenen Meinungsverschiedenheiten gefeit zu sein. Immerhin hat die letzte Regierung Wohlwend den heutigen Stadträten den Weg geebnet, Kommunikationssignale zu überhören oder falsch zu interpretieren. Die heutige Regierung wäre gut beraten gewesen, sich der Gefahr des selektierenden und projizierenden Hörens und Sehens am neuen Arbeitsort vor dem Einzug in den Superblock bewusst zu werden. Jetzt hat die Falle zugeschnappt. Es ist nämlich ein weit verbreiteter Irrtum zu glauben, Meinungsverschiedenheiten würden tatsächlich auf verschiedene Meinungen zurückgehen. Goethe hat einmal dazu gesagt: «Individuum est ineffabile». Frei übersetzt: «Was ein Mensch ist, entzieht sich unserer Sprachlichkeit». Dieser Satz ist die Grundlage jeder sinnvollen Kommunikation.

Wir Menschen konstruieren und verarbeiten jede Information über einen komplizierten Übersetzungsmechanismus. Auch verstehen wir nur Signale, die vom Sprechenden mit seinen Stimmbändern erzeugt werden und vom Hörenden auf seiner eigenen Grosshirnrinde zu Informationen verarbeitet werden. «Sinnvoll» will ich als Berater also nur solche Signale nennen, die zu anschlussfähigen Signalerzeugungen zwischen Sprechenden und Hörenden, Schreibenden und Lesenden führen. Genau das passiert im Superblock nicht mehr. Mir sagte mal eine Politgrösse aus Winterthur, es sei ein Akt der Vernunft gewesen, als Gesamtregierung in den Superblock einzuziehen. Das Gegenteil ist der Fall: Bei Meinungen sind nur die tiefen Strukturen, also die Werteinstellungen, Bedürfnisse, Interessen und Erwartungen verschieden. Jede sinnvolle Kommunikation wird Meinungsverschiedenheiten (ähnliches Sach- und Erfahrungswissen vorausgesetzt) durch die Abklärung dieser Tiefenelemente zu beheben trachten. Dies ist aber im Superblock nicht mehr der Fall.

Überdruck und Unterdruck, allzu viel Nähe und künstliche Luft sowie ein vergifteter Boden, dessen Schlacken durch alle Betonböden dringen, behindern unsere Stadträte, mit genügend Sauerstoff und gesunden Körpern als Personen mit Charakter aufeinander zuzugehen und Vertrauensfelder statt Angstmaximen aufzubauen, was der Realisation einer Tugend entspricht.


Heiner Dübi,
23.2.2017, 116. Jahrgang, Nr. 54.

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