Logo Wandzeitung
Herausgeber: Guido Blumer & Roger Rutz.
Archiv:   Blog:   Echo:   Home:   Kontakt:   Leitbild:   Partner:   Sponsoren:   Twitter

«Wandzeitung» vom 2.6.2017:

Alltägliches:

Keine Hindernisse.

Dank des gewählten Präsidenten im Nachbarland wurden die Gefühle meiner Mit(l)eidgenossen wieder einmal so richtig aufgemischt. Und zwar zum sensiblen Thema der Partnerwahl. Alles was nicht konform ist macht Angst und öffnet das Lästermaul. Wer mit wem ist relevant. Auch die Medien stürzten sich wieder einmal dankbar auf die Sache mit dem Altersunterschied. Völlig rechtens, wenn der männliche Part eine bedeutend Jüngere nimmt, denn der Samen soll möglichst lange, breiträumig verteilt und das Geschlecht, respektive der Namen, weit gestreut werden. Wie unnütz aber, wenn die Frau einen jungen Mann sich sucht oder sich einfach nur verguckt. Die muss wohl fehlgesteuert sein und er zwangsläufig einen Mutterkomplex haben. Für die ganz krassen, älteren Semester, die konstant nur noch auf junge Männer stehen und gar auf der Jagd nach ihnen sind, gibt’s sogar einen Namen; es sind Cougar. Brisant; besagter Wikipedia-Eintrag ist zur Löschung vorgesehen. Kann man Gefühle löschen?

Es wird Ihnen gar nicht munden, denn als ich meinen Partner kennen lernte, war er 19 und ich doppelt so alt! Krass, er gerade mal so richtig in Volljährigkeit und ich in der frühen Midlifecrisis? Ne, ne, ich hatte da so eine instinktive Ahnung, dass das urvertraute Gefühl, das sofort in mir loderte, eine tiefere Bedeutung habe. Aber es darf doch nicht raufkommen, dachte ich erst. Nicht wegen der Leute, sondern wegen ihm. Er sollte frei sein auf seinem Weg. So sagte ich erst nichts und liess ihn machen. Die Gefühle in mir wurden stärker und ich fand es ungeziem, sie weiter vor ihm zu verheimlichen. Schliesslich sollte er sich mir zurück zu ziehen können, wenn er sich davor ekelte. Er reagierte gelassen. Geklärte Fronten sind immer eine Erleichterung. Er konnte «mich» gut einordnen, wir lebten jahrelang eine intensive Freundschaft und er hatte seine Beziehungen zu jungen Frauen. Es war nicht so cool für mich. Es zehrte und mein Leben war voller Entbehrungen. Ich hatte kein Interesse an anderen Männern. Ich wollte auch nicht zwingend jemanden an meiner Seite. Liebe lässt sich nicht erzwingen.

Ich war in eine Warteschleife geraten. Ich spürte weiterhin so ein Band, das sich wie ein Gummi an unsere Herzen angeschlossen hatte. Wir wussten immer, wo der andere gerade war und ich hatte auch viele Schmerzen, obwohl ich es mir nicht einzugestehen vermochte. Nach Jahren in diesem Zwischenleben kamen wir dann doch zusammen. Was für eine Überraschung für mich selber. Er hatte inzwischen «seine Hörndli abgestossen». Mein Umfeld und vor allem meine Kinder reagierten tolerant. Ich müsse wissen, was ich tue und, Hauptsache glücklich! Danke schön für diesen Zuspruch. Der doch alles einfacher machte. Inzwischen leben wir fünf Jahre zusammen.

Ein klares Signal einer genervten Seele jedoch, liess uns die Augenbrauen heben. Anonym hatten wir eine Migroszeitung mit Plastik-Geschenkkarte angeheftet und laienhaft zugeklebtem Adressat im Briefkasten. Die Adresse hatte nichts mit dem Absender zu tun. Aber der Inhalt der Texte mit unserem Altersunterschied. Wie erwartet war die Karte ohne Guthaben. Wir haben es kapiert, aber es ist uns egal.


Momo Appenzeller,
2.6.2017, 116. Jahrgang, Nr. 153.

Artikel als PDF downloaden

Zu diesem Artikel wurde noch kein Standpunkt abgegeben.

 

Veröffentlichen Sie als erste Person Ihren

Standpunkt*:

Name:

*Wir freuen uns sehr über Ihre Gedanken zum Text des Tages, bitten Sie jedoch, keine Personen zu verunglimpfen und deren Haltung mit Respekt zu begegnen. Danke schön. Verstösse gegen unser Leitbild werden indes nicht verbreitet.

 

Winterthurs kleinste Zeitung der Schweiz.