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«Wandzeitung» vom 24.9.2017:

Bis jetzt läuft es doch ganz gut?:

Vom Nichts tun.

Ich habe mich immer damit gebrüstet, dass ich ein Faulpelz bin. Die Vorstellung, erst mittags aufzustehen, mich direkt danach aufs Sofa zu schmeissen und den ganzen Tag Filme zu schauen oder all die Bücher zu lesen, die ich gekauft, aber noch nicht angerührt hatte, war mir wie ein wunderschöner Traum vorgekommen.

Nun, da ich die Schule abgeschlossen habe, plötzlich enorm viel Zeit habe und mich das erste Mal seit Langem nicht mehr mit Hausaufgaben, Arbeiten und Tests herumschlagen muss, hätte dieser Traum endlich Wirklichkeit werden können. Doch es stellte sich heraus, dass mein Traum nicht ganz so perfekt war, wie ich es mir ausgemalt hatte, und einige Probleme damit verbunden sind.

Erst mittags aufzustehen, hat nicht nur zur Folge, dass ich mich unsäglich nerve, den halben Tages verschlafen zu haben. Vielmehr bringt es meinen ganzen Schlafrhythmus vollkommen durcheinander. Mittlerweile kann ich erst um 2 Uhr in der Nacht einschlafen, was es noch schwerer macht, wieder zu einer vernünftigen Zeit aufzustehen. Dass ich so spät aufstehe, hat auch zur Folge, dass ich mir mein Mittagessen nicht so frei auswählen kann, wie ich es mir so oft in der Schulkantine gewünscht hatte.

Und was nach dem Essen folgt, ist das Schlimmste. Denn dann werde ich in den Strudel der sozialen Medien gezogen, aus dem es kein Entkommen gibt. Mein Interesse an dem Leben anderer ist offensichtlich grösser, als mich selber zu bewegen.

Doch irgendwann verlor ich auch daran das Interesse und so wandte ich mich anderen Projekten zu. In den letzten Wochen habe ich die Fenster unseres Hauses geputzt, mein Zimmer neu eingerichtet, eine Kommode vollständig renoviert und mein ganzes Bücherregal neu eingerichtet. Zwei Mal. Als mir dann auch die Baustellen im Haus ausgingen, verliess mich jegliche Motivation, irgendetwas zu tun. Ich langweile mich, habe aber trotzdem keine Lust, irgendetwas Sinnvolles zu tun. Kein Buch oder Film wirkt interessant. Mich mit meinen Freuden zu treffen, klingt gar nicht verlockend, schliesslich erlebe ich ja nichts, worüber ich mit ihnen reden könnte. An Schreiben war gar nicht zu denken.

So habe ich festgestellt, dass ich das Gegenteil eines Faulpelzes bin. Ich arbeite am besten, wenn ich wenig Zeit, aber mehrere Projekte gleichzeitig habe. Stress treibt mich an und motiviert mich. Ein fester Tagesablauf gibt mir das Gefühl, mein Leben im Griff zu haben und nicht durch den Tag zu schweben. Heute bin ich um 9 Uhr aufgewacht, habe gefrühstückt und jetzt, seit langer Zeit, meinen Laptop genommen und angefangen zu schreiben.

Bis jetzt läuft es doch ganz gut ...?


Noëlle Lee,
24.9.2017, 116. Jahrgang, Nr. 267.

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