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«Wandzeitung» vom 6.8.2017:

Zum 1. August:

Heimat.

Da war es wieder, das alljährliche Ritual. In der letzten Juliwoche schienen alle Nachbarn ihre Feuerwerkskörper für den 1. August testen zu wollen. Jeden Abend ertönten beim Eindunkeln Raketen. Da ich zum Glück nicht besonders lärmempfindlich bin, konnte ich das auch dieses Jahr mit einem gewissen Schmunzeln wegstecken.

Was mich mehr beschäftigt, ist die Tatsache, dass ich jedes Jahr ein etwas mulmiges Gefühl habe um den 1. August herum. Ich ertappe mich jeweils beim Gedanken, dass ich mit diesem Feiertag nur wenig anfangen kann. Und gleichzeitig ärgere ich mich genau darüber.

Ich habe Mühe mit dem, was an diesem Feiertag zelebriert wird. Ich habe Mühe mit diesem verstaubten Bild eines Landes, das ich doch eigentlich genauso liebe wie diejenigen, die an diesem Tag Reden schwingen.

Welche Schweiz wird denn am 1. August gefeiert? Neulich habe ich im Fernsehen eine Diskussionssendung zum Thema Einbürgerung gesehen. Es ging unter anderem um die Kriterien, welche Einbürgerungswillige zu erfüllen haben, wenn sie den Schweizer Pass erhalten möchten. Und um die Willkür, die bei der Beurteilung darüber, ob diese Kriterien erfüllt sind, passieren kann. Einer der Gäste war der Aargauer SVP-Nationalrat Andreas Glarner. Er sprach davon, dass diejenigen, die sich einbürgern lassen möchten, unsere Werte vertreten müssen. Als Beispiel nannte er, dass man aktives Mitglied in einem Verein sein müsse.

Welche Werte meint er, wenn er von unseren Werten spricht? Ich bin entsetzt darüber, dass er die Deutungshoheit für Schweizer Werte für sich beansprucht. Für mich sind andere Kriterien viel wichtiger, und ich bin genauso Schweizerin wie er Schweizer ist. Wie kommt er darauf, dass er die Schweizer Werte definieren darf?

Ich glaube genau daher kommt mein etwas schwieriges Verhältnis zum 1. August. Ich möchte nicht Herrn Glarners Schweiz feiern, weil das nicht meine Schweiz ist.

Meine Schweiz ist offen, tolerant, grossherzig. Meine Schweiz lebt eine humanitäre Tradition und übernimmt global Verantwortung. In meiner Schweiz interessiert man sich für Mitmenschen, egal woher sie kommen.

Vor ein paar Wochen durfte ich als Gast bei einer grossartigen Veranstaltung in der Steig in Töss dabei sein. Nachdem Journalisten das Quartier im letzten Jahr als Ghetto und Dschihadistenhochburg in Misskredit zu bringen versuchten, haben sich kreative Köpfe eine wunderbare Antwort darauf einfallen lassen und ein Fussballturnier organisiert, welches zu einem multikulturellen Fest wurde. Neben ganz vielen Leuten aus dem Quartier waren Mitglieder des Stadtrates und des Gemeinderates dabei und der Anlass wurde live von Radio Stadtfilter kommentiert.

Und ich war einfach nur stolz darauf, als Tössemerin Teil eines so wunderbaren Stadtteils zu sein. Das ist meine Heimat, das sind meine Werte. Und ja, diese feiere ich noch so gern. Egal, ob am 1. August, oder an irgendeinem anderen Tag.

 


Christa Meier,
6.8.2017, 116. Jahrgang, Nr. 218.

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