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«Wandzeitung» vom 11.11.2017:

Europa, die Flüchtlinge ...

und der Zynismus des Untergangs.

Zwei Jahre nach der grossen Flüchtlingsbewegung Richtung Europa schlägt das Thema Flucht und Migration immer noch hohe politische Wellen. Dabei hat die europäische Abschottungspolitik mit Hilfe der Türkei und nordafrikanischer Staaten die Zahl der ankommenden Flüchtlinge bereits stark reduziert.

Aber offenbar gibt es etwas, das uns nicht zur Ruhe kommen lässt. Eine Verunsicherung, die auch daran zu erkennen ist, dass oft nur in Andeutungen über das Thema gesprochen wird. "2015 darf sich nicht wiederholen", lautet eine Beschwörungsformel.

2015 war ein kurzer Sommer der Empathie, in dem vieles von dem, was diese Welt zu zerreissen droht, sich gut lesbar vor aller Augen ausbreitete. Die desaströsen Folgen von imperialen Strategien, mit denen der Westen seine Interessen in Afghanistan, Irak oder Syrien durchzusetzen versucht. Das Leid, das unser Lebensstil und die rücksichtslosen Praktiken global agierender Konzerne in anderen Teilen der Welt verursachen. Sind es diese Erkenntnisse, die Angst machen?

Das "Nie wieder 2015" steht für die Rückkehr zu einer "Normalität", in der die Wahrnehmung "unserer" Interessen wieder unangefochten im Vordergrund steht. Der Fokus verschiebt sich von den Problemen der Flüchtenden zu den Flüchtlingen als Problem.

Aber die Normalität will sich nicht wieder einstellen. Es ist ja auch nicht wirklich hilfreich, sich hinter schlichten Wahrheiten zu verschanzen, hinter Sätzen wie "Wir können nicht alle Armen dieser Welt aufnehmen. Diese Last können wir nicht auf uns nehmen." Wer in dieser Welt wessen Last trägt, ist eigentlich eine gute Frage. Man könnte sie einmal den Bergleuten im Kongo stellen, die unter gefährlichsten Bedingungen das Kobalt für die Batterien aus der Erde schlagen, die unsere schicken Smartphones, Laptops und die "sauberen" Elektroautos am Laufen halten, während ihre Familien nicht genügend zu essen haben und in einer vergifteten Umwelt leben müssen.

Oder afrikanischen Dorfbewohnern, die von ihrem Land vertrieben wurden, damit Finanzinvestoren ihr überschüssiges Kapital profitabel in die Produktion von Rosen oder Soja für die europäischen Märkte anlegen können.

Die Aufzählung liesse sich lange fortsetzen. Man könnte auch fragen, ob es eine gerechte Lastenverteilung ist, wenn nun das reiche Europa die Beherbergung der Flüchtlinge, die in Europa Asyl beantragen wollen, auf einige der ärmsten Länder der Welt abwälzen will. Die Flüchtlinge aus Schwarzafrika, die nach Europa wollen, sollen in einem von europäischen Staaten hochgerüsteten, möglichst lückenlosen Netz der Kontrolle in Afrika festgehalten werden. Sie sollen in Niger, Tschad und Libyen in großen Lagern konzentriert werden. Niger und Tschad sind zwei der ärmsten Länder dieses Planeten, in welchen grosse Hungersnot herrschen. Damit sie bei der Abschottung kooperieren, statten europäische Regierungen korrupte und kriminelle Regimes mit finanziellen Mitteln aus.

So verstärkt diese Abschottungspolitik die Probleme, die Menschen in die Flucht treiben. Sie trägt ihrerseits zur Krise der sozialen und politischen Menschenrechte bei, eine der zentralen Ursachen der Fluchtbewegungen.


Ludi Fuchs,
11.11.2017, 116. Jahrgang, Nr. 315.

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