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«Wandzeitung» vom 28.8.2017:

In der Sommerzeit und darüber hinaus:

Lichterfahrungen „auftanken“.

Seit den Siebzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts begleitet mich die Bilderbuchgeschichte „Frederick“. Sie erzählt von Mäusen, die Essenvorräte für den Winter sammeln. Nur einer – eben Frederick –, der etwas verträumt ist, sitzt scheinbar untätig da. Er sammelt Sonnenstrahlen, Farben und Wörter. Als es im tiefen Winter ganz kalt und dunkel ist und die Essensvorräte zur Neige gehen, holt Frederick seine Schätze hervor und spricht zu den Mäusen von den Sonnenstrahlen, Farben und Wörtern, bis es ihnen warm ums Herz wird. Es gehört wohl zu den positiven Seiten der Sommerzeit, dass wir intensiver Licht erleben dürfen, das wir innerlich in die dunkleren Stunden des Jahres mitnehmen. Daher verbringe ich seit langem gern eine Woche der Sommerferien am Meer. Obwohl ich eigentlich zu unruhig bin für bloss passives Sonnenbaden am Strand, tut mir für sieben Tage die Atmosphäre von Liegestühlen, Sonnenschirmen und Pinien gut. Ich habe den Eindruck: Der Blick aufs Meer hinaus weitet das Herz.

Natürlich gibt es darüber hinaus auch Lichterfahrungen, die nicht nur mit der optisch wahrnehmbaren Helligkeit zusammenhängen. Jährlich nehme ich an einem Pfingsttreffen zwischen Menschen mit und ohne sichtbare Behinderung teil. Das ist für mich wie eine Tankstelle von Lebensfreude und Lebensbejahung, von der ich lange Zeit „energetisch“ zehre. Es gibt Menschen, die haben eine sogenannte „Nahtoderfahrung“ gemacht. Das Licht, das ihnen dabei geschenkt wurde, trägt sie oft noch Jahrzehnte danach.

Auf meinem Pult liegt ein Mäppchen mit Zeitschriften- und Zeitungsartikeln, die ich aufhebe, weil es für mich „Lichttexte“ sind. Drei Beispiele: Da erscheint zum Muttertag ein Artikel einer Journalistin, in dem sie ihr Verhältnis zur 15-jährigen pubertierenden Tochter beschreibt. Bezüglich des beliebten Familienspiels „Monsterquartett“ sagt der Sohn eines Tages, dass es doch in diesem Spiel einen Joker gebe, der die anderen Karten schlägt: „Die Liebe. Die Liebe ist unser Joker.“ Und die Mutter formuliert im Anschluss daran: „Die Liebe ist viel mehr als ein flatterndes Herz und Adrenalinschübe. Ohne Liebe kann niemand leben, ohne Liebe bleibt nur der Tod. Sich um andere zu kümmern, für andere da sein, sich für etwas Gemeinsames engagieren gibt unserem Dasein erst einen Sinn.“ Schön! Im Januar hat Shlomo Graber, ein 90-jähriger Überlebender des Holocaust, in einem Zeitungsinterview gesagt: „Man kann und sollte verzeihen. Wenn man sich vom Hass, aus welchem Grund auch immer, übermannen lässt, dann tut man sich nichts Gutes. Hass ist wie ein Krebsgeschwür – es frisst einen Menschen von innen her auf. Man schadet sich am meisten selbst, wenn man hasst.“ Beeindruckend!

Dreimonatlich erwarte ich ein frommes Heftchen, die „Missionsblätter“ aus dem Kloster Uznach, mit Spannung. Die sonst blasse Zeitschrift enthält meist einen wunderbaren Artikel von Pater Peter Meienberg (dem Bruder des berühmten Niklaus Meienberg), der eine Situation aus Nairobi in Kenia schildert. Immer sind es Hoffnungsgeschichten mitten aus dem Elend. So erzählt er von einer Frau, die über vier Jahre unschuldig im Gefängnis sass, dabei aber Lieder schuf und Chöre leitete, so dass sie in ihrem Schicksal einen Auftrag Gottes erkannte. Tröstlich!


Hugo Gehring,
28.8.2017, 116. Jahrgang, Nr. 240.

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