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«Wandzeitung» vom 24.8.2017:

Vielleicht mache ich ja auch aus einer Mücke einen Elefanten:

Im Leben einer Tagträumerin.

Ich bin eine Tagträumerin. Nach über 20 Jahren, in denen ich mein Leben vor mich hingelebt habe, ist mir letzte Woche bewusst geworden, dass ich tatsächlich eine Tagträumerin bin. Diese Erkenntnis hat mich doch etwas aus der Bahn geworfen.

Wurde ich bisher gefragt, beispielsweise an Bewerbungsgesprächen oder an Persönlichkeitstests, welche ich zu meiner eigenen Unterhaltung ausgefüllt habe, wie ich mich beschreiben würde, nannte ich oft Begriffe wie humorvoll, unvoreingenommen, selbstständig … vielleicht etwas zurückhaltend hie und da und – ich gebe es zu – manchmal etwas chaotisch. Aber nie und nimmer hätte ich mich als Tagträumerin dargestellt.

Jetzt fragen Sie sich vielleicht, wieso mich die Tatsache, dass ich eine Tagträumerin bin, so in Aufruhr bringt. Nun, ich weiss es nicht. Vielleicht meinte ich bisher einfach immer, ich sei halt eine Denkerin. Jemand, der sich alles doppelt und dreifach durch den Kopf gehen lässt und jedes nur mögliche Szenario einer noch so unwichtigen Situation im Kopf durchgeht, selbst wenn es sich um eine völlig imaginäre Begebenheit handelt. Jemand, der komplette Gespräche vor- und zurückspult, analysiert, sich neue Argumente ausdenkt, die niemals von Nöten sein werden … Aber das macht doch jeder, nicht?

Das Tagträumen ist aber natürlich nicht nur das «bewusste Nachdenken» über gewisse Begebenheiten oder Situationen. Es geht ja um das Abschweifen, das Träumen, das Herbeizaubern von Ereignissen in meinen Gedanken, die es so nicht gibt oder geben wird. Ich merke auch mehr und mehr, wie ich mich unbewusst nicht mehr auf etwas konzentriere, weil ich in Träumen versunken bin und mir vorstelle, was wohl wäre wenn … Beispielsweise höre ich seit neustem ein Hörbuch. Die Geschichte gefällt mir sehr und ich will wissen, wie es weiter geht, doch nach nur wenigen Minuten drifte ich weg und höre dem Erzähler gar nicht mehr zu. Dies führt dazu, dass ich immer und immer wieder vom Beginn eines Kapitels anfangen muss, und es so wahrscheinlich Jahre dauern wird, bis ich das Hörbuch jemals zu Ende bringen werde. Oder auch, wenn ich mich mit einer Person unterhalte und dann für einige Zeit stille herrscht, so versinke ich gleich wieder in meinen eigenen Gedanken und forme neue Galaxien und Geschichten in meinem Kopf, versuche mir etliche unendliche Fragen des Universums zu beantworten, bis mich mein Gegenüber aus meiner Traumwelt reisst und ich meist einen kurzen Moment brauche, um mich wieder ins Jetzt zurückzufinden.

Vielleicht mache ich ja auch aus einer Mücke einen Elefanten. Vielleicht ist meine Tagträumerei ja völlig normal und jeder macht das so. Es ist schwer zu sagen, ob mein realitätsloses Gedankenabschweifen nun überdurchschnittlich oft zum Zuge kommt oder nicht. Schlussendlich ist es aber auch egal, denn ich bezweifle, dass sich diese neu realisierte Eigenschaft irgendwie abschalten lässt. Man könnte sie vielleicht unter Kontrolle bringen, aber wo bleibt da der Spass. Nun ja, bis ich eine Lösung für diese «Problem» finde, werde ich einfach weiter meinen Tagträumen verfallen.


Nicole Langhart,
24.8.2017, 116. Jahrgang, Nr. 236.

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