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«Wandzeitung» vom 20.5.2017:

Die Einstellung gegenüber Frauen muss überdacht werden:

Waffen gehören nicht in die Wohnung.

Vor einigen Wochen schrieb mir ein Journalist, ob er mir ein vertrauliches Video zustellen dürfe. Was ich dann sah, rüttelte mich aus dem eben ruhig begonnen Tag. Soldaten beim Schiesstraining: Alle mit geladenem Gewehr vor den Zielscheiben. Der Vorgesetzte erzählt eine Geschichte: «Stellt Euch vor, Ihr kommt nach Hause. Eure Frau ist mit einem anderen Mann im Bett. Was tut Ihr?» Alle schiessen wie wild drauflos. Das heisst also, in der Armee wurde die Situation häuslicher Gewalt – genauer Tötung der Ehefrau – als Automatismus für eine Extremsituation eingeübt. Natürlich war das hoffentlich ein Einzelfall. Aber er liegt nicht drin. Seit Jahren kämpfe ich zusammen mit anderen an vorderster Front dafür, dass die Armee ihre Sturmgewehre nicht mehr mit nach Hause geben darf. Seit Jahren ernte ich dafür ein müdes Lächeln und Kommentare. Alles mein persönliches Problem. Alles kein Problem. Leider kann ich die vielen Zuschriften nicht veröffentlichen, die Suizide und Tötungen und Bedrohungen mit der Armeewaffe genau in Krisensituationen beschreiben. Es sind sehr viele, die ich im Laufe der letzten Jahre erhalten habe. Die Letze vorgestern. Da schreiben mir Ehefrauen von Bedrohungssituationen. Da schreiben mir Kinder, die einen erweiterten Suizid überlebt haben und noch als Erwachsene darunter leiden. Da schreiben mir Angehörige, die dem Tod nur knapp entgangen sind, zum Teil angeschossen. Und solche, die von einer Kurzschlusshandlung wie dem Suizid des Sohnes, bei Liebeskummer traumatisiert sind. Dass die Verfügbarkeit der Waffe in einer Krise bei einer Affekthandlung die entscheidende Rolle über Leben oder Tod spielen kann, damit dringt man bei der Waffenlobby nicht durch. Umso schlimmer ist es, dass bei all diesen Diskussionen in der Armee genau dieses Beispiel geübt wurde. In Extremsituationen spielen eingeübte Reflexe – deshalb üben Spezialeinheiten solche wieder und wieder. Um dann, wenn die Situation so angespannt und unberechenbar ist, eingeübte Mechanismen spielen zu lassen und richtig zu reagieren. Doch hier hat die Armee – wenn auch in einem Einzelfall – die Extremsituation eingeübt, dass die Frau mit einem anderen erwischt wird – und man schiesst. Wenn man sich das vorstellt, dann lässt das nur noch alle Alarmglocken läuten. Ich erwarte, dass dieser Fall lückenlos aufgeklärt wird. Dass alle, die dafür verantwortlich waren, zur Rechenschaft gezogen werden. Dass Massnahmen getroffen werden, dass so etwas nie mehr möglich ist. Aber wir dürfen noch mehr erwarten von einer Armee, die uns fünf Milliarden Franken jährlich kostet und uns Sicherheit geben soll. Es muss ganz grundsätzlich aufgeräumt werden. Dass so etwas im Einzelfall möglich war, zeigt, wie fahrlässig es ist, unter dem Motto des Vertrauens jedem Angehörigen der Armee das Sturmgewehr nach Hause zu geben. Dahin, wo er es sowieso nicht gebrauchen kann und die Lagerung ein Problem ist und es die letzten Jahrzehnte viel mehr Menschenleben gekostet hat, als die Armee hat retten können. Die Armee muss, wenn sie glaubwürdig werden und sich in den Dienst der Bevölkerung stellen will, grundsätzliche Reformen angehen. Zum Beispiel, indem sie die Waffe ein für alle Male den Soldaten nicht mehr mit nach Hause gibt. Und freilich muss ihre Einstellung gegenüber Frauen grundsätzlich überdacht werden.


Chantal Galladé,
20.5.2017, 116. Jahrgang, Nr. 140.

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