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«Wandzeitung» vom 13.9.2017:

Muss ich mir nach dem überwundenen Patriarchat ein Matriarchat linker Frauen aufzwingen lassen?

Der feministische Antichrist.

Der Feminismus. Ironisch, ein maskulines Substantiv. Im Duden als «Richtung der Frauenbewegung, die, von den Bedürfnissen der Frau ausgehend, eine grundlegende Veränderung der gesellschaftlichen Normen und der patriarchalischen Kultur anstrebt» definiert. Viele mögen sich nun fragen: Wen interessiert die Definition des Dudens, jeder weiss, worum es geht. Tatsächlich? In meinen Augen täte das Studium des Dudens vielen Pseudo-Feministinnen gut. Es fördert Aspekte zutage, die von vielen ausgeblendet werden. Erstens: Der Feminismus ist, wie der maskuline Artikel schön illustriert, kein Feld, das Frauen für sich alleine beanspruchen müssen. Der Feminismus lebt von Diversität, von Frauen und von Männern, die sich für die Frauenbewegung einsetzen und die damit verbundene Emanzipation anstreben. Der Feminismus stellt somit eigentlich bereits in seiner grammatikalischen Struktur klar: Er fordert Gleichstellung und schliesst niemanden aus.

Zweitens: Nach Duden geht der Feminismus von den «Bedürfnissen der Frau» aus. Wir sind alle einzigartig, das lernt man schon von Mami (und Papi). Kann «Feminismus» für jede Frau dasselbe sein, wenn jede andere Bedürfnisse hat? Nein. Meine Bedürfnisse sind nicht jene einer alleinerziehenden Mutter. Nicht jene hunderter anderer. Ich besitze nicht dasselbe Verständnis von Feminismus wie viele Hardlinerinnen. Ich stehe nicht für den radikalen Feminismus ein, in dem Frauen als homogenes Kollektiv zum Übergeschlecht werden, wo Männer sich schämen müssen, gegen eine Frau anzutreten.

Der Sinn der Gleichstellung ist nicht, Männer schlechterzustellen, sondern gleiche Löhne, gleiche gesellschaftliche Akzeptanz, gleiche Möglichkeiten. Doch immer mehr will eine kleine Elite uns «den» Feminismus aufzwingen. Wollen «ihre» Bedürfnisse auf andere projizieren und akzeptieren kein Anders-Sein. Diskussionen mit Individuen, die Feminismus nicht als Gleichberechtigung, sondern als Unterdrückung der Männer verstehen, bleiben brotlos. Für die bin ich der feministische Antichrist: Ich trete als Verräterin gegen eine geballte Übermacht von Emotionen an. Und wisst ihr was? Genau das verstehe ich unter Emanzipation: Ich lebe, wie ich will. Das Feindbild «Mann» verhindert eine sachliche Diskussion zum eigentlichen Thema: Gleichstellung. Als Frau darf man nichts gegen feministische Bewegungen sagen, man wird als „undankbar“ und „verwöhnt“ betitelt. Undankbar bin ich nicht. Im Gegenteil: Die Leistung meiner weiblichen Vorreiterinnen weiss ich sehr zu schätzen. Doch sollen Frauen nun die nächsten 50 Jahre denselben Feminismus verschärfen und huldigen müssen? Kann man nicht ohne den Deckmantel eines Schlagworts über Geschlechterthemen reden?

Muss ich mir nach dem überwundenen Patriarchat wirklich ein Matriarchat linker Frauen aufzwingen lassen? Mein Ziel ist es, das Feld des Feminismus nicht den Hardlinerinnen zu überlassen. Es sind nie jene, die am lautesten schreien, die im Endeffekt die besten Ideen haben. Jede Frau soll sich mit «ihrem» Feminismus identifizieren, jede Frau soll nach ihren Bedürfnissen leben und leben lassen. Dafür braucht es etwas Engagement, viel Toleranz und vor allem das Verständnis von «Gleichstellung».


Gioia Porlezza,
13.9.2017, 116. Jahrgang, Nr. 256.

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