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«Wandzeitung» vom 25.5.2018:

EIN SATZ: Walle, walle, Besen, walle. GOETHE.

Zauberlehrlinge.

Nein, um Besen geht es heute nicht. Wie im Zauberlehrling, wo diesem das Kommando über die Besen entglitt. Und zwar auch nicht trotz des allgegenwärtigen Litterings nicht nur in der kleinen, fast grossen Stadt, die wir alle gut kennen. Denn mit Besen ist dem Gebaren im öffentlichen Sumpf – zuweilen auch öffentlicher Raum genannt – nicht beizukommen.

Wie romantisch sah es doch beim Zauberlehrling in der Romantik aus. Zwar gehört das Gedicht geschichtlich nicht in die Romantik und bedeutet diese als Zeitabschnitt nur teilweise das, was wir heute darunter auch nicht verstehen. Einigen wir uns der Einfachheit halber darauf, dass es zurzeit weitgehend unromantisch zu und her geht.

Heute kann man verschlüsselte E-Mails problemlos hacken. Der Briefschreiber der Romantik konnte noch nicht mal das Postgeheimnis beanspruchen. Was dem Boten anvertraut war, konnte im besten Fall geöffnet werden und im schlechtesten verloren gehen. Oder beides, wie aus dem Thurgau 1845 berichtet wird: Der Conducteur der Arboner Post hatte den Bürgler Postsack in Eschikofen liegenlassen und jenen für Erlen mitten auf der Strasse verloren. Eine arme Frau schleppte ihn ins nächste Dorf und ergötzte sich am Inhalt.

Heute geraten Passwörter unbefugterweise an Dritte. Und AGB verhindern es, dass wir die Dritten oder die Serverbetreiber dafür zur Rechenschaft ziehen könnten. In der Romantik war allenfalls «Sesam, öffne, dich» bekannt, das als höchst unsicheres Passwort gilt. Man müsste es mit Sonderzeichen ergänzen. Von Affenschwanz und Gartenhag wusste man in der Romantik aber nichts.

Heute gerät unser persönlicher Narzissmus in FB, Insta, Snap (wie die Szenebezeichnungen für die sozialen Netzwerke heissen) leicht auf Abwege, indem die Daten für Wahlmanipulationen verwendet werden. Natürlich nicht bei Snap, weil sich da grad alles wieder löscht, was kurz aufblitzt. So wie in der Romantik, wenn man in die Fenster guckte und gerade die Läden geschlossen wurden. Die Bekanntheit des Einzelnen ging nicht über den Dorf- und Von-Dorf-zu-Dorf-Klatsch hinaus, was der Ächtung genug sein konnte, ohne dass es dazu des heute rasch aufwallenden Shitstorms bedurfte.

Walle, walle, sprach der Zauberlehrling. Und verursachte eine Überschwemmung. Die in der Romantik so konstant war, dass die meisten Wege auf den Höhen verliefen und nicht in den Tälern, wo man im Morast versank. Dennoch schrie er nach dem Meister, der den Besen Einhalt gebot.

Ich hege berechtigte Zweifel, dass unsere komplexen kybernetischen Systeme, wir nennen sie Digitalisierung, wenn sie dereinst in Wallung geraten, einfach durch einen Meister in die Schranken gewiesen werden können. Es werden sich zwar viele selbsternannte Meister melden und – sollten soziale Netzwerke noch funktionieren – mit frenetischem Applaus begrüsst werden. Aber auch sie werden nichts ausrichten. Der Shitstorm wird jedoch ausbleiben, weil die digitale Welt bereits zusammengebrochen sein wird.

Und wir früher und deutlich unromantischer wieder beginnen als in der Romantik.


Adrian Ramsauer,
25.5.2018, 117. Jahrgang, Nr. 145.

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