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«Wandzeitung» vom 7.10.2014:

Herbst vor 25 Jahren:

Die Friedensbewegung in der DDR.

25 Jahre sind es her seit über 70 000 Menschen in Leipzig auf die Strasse gingen und friedlich für mehr Demokratie demonstrierten.

1982 rief Christian Führer, der Pfarrer der Nikolaikirche in Leipzig, die Montagsgebete ins Leben. Was ursprünglich als Friedensgebete gegen das Wettrüsten im Kalten Krieg begann, wurde im Laufe der Jahre zu einer grossen Bewegung von Leuten, welche die Gesellschaft in der DDR prägen und verändern wollten und für mehr Demokratie und Freiheit kämpften. Frauen für den Frieden, Künstlerinnen und Künstler, Umweltaktivistinnen und -aktivisten gehörten genauso zu den Teilnehmenden der Montagsgebete, wie einfache Bürgerinnen und Bürger, die sich mehr persönliche Freiheit erhofften, sich einen konstruktiven Dialog mit dem Staat wünschten und sich untereinander frei über ihre Ideen und Hoffnungen austauschen wollten.

Ab Herbst 1989 gingen die Leute nach den wöchentlichen Zusammenkünften in den Kirchen gemeinsam auf die Strasse, streng beobachtet vom Militär und der Staatssicherheit. Aber die Bewegung hatte unterdessen eine Kraft, die sich nicht mehr bremsen liess. Obwohl die Staatsmacht alles daran setzte, diese Friedenskundgebungen in Schach zu halten, kam es am 9. Oktober 1989 nach dem wöchentlichen Montagsgebet zum legendären Friedensmarsch durch die Leipziger Innenstadt. Die mehr als 70 000 Teilnehmenden hatten Kerzen dabei – ein Bild, das sich in mein Gedächtnis eingebrannt hat. «Wir sind das Volk», tönte es im ganzen Land. Ein Monat später fiel die Mauer, die Geschichte ist bekannt.

Ich bin nach wie vor bewegt, wenn ich an diesen Herbst denke. Das, was damals in der DDR passierte, hat mich tief beeindruckt und beeinflusst und wohl auch zu einem grossen Teil dazu beigetragen, dass ich ein politisch aktiver Menschen geworden bin. Und umso mehr bin ich froh, dass ich in einem Land lebe, in dem solche Aktionen nicht nötig sind. Ich kann reisen, wohin ich möchte, kann mein Leben gestalten, wie und wo ich will, darf meine Meinung frei äussern. Niemand kann mir vorschreiben, was ich zu denken und zu sagen habe.

Nun, so rosig ist es ja dann doch nicht. Zur Zeit schottet sich die Schweiz gerne ab und wehrt sich gegen alles, was von aussen kommt und allenfalls Einfluss auf uns haben könnte. Schülerinnen und Schüler werden dazu aufgerufen, ihre Lehrpersonen zu denunzieren, wenn die nicht genau das sagen, was der Meinung der selbsternannten Hüter unserer Werte entspricht. Anders Denkende und anders Lebende auszugrenzen, ist in gewissen Kreisen zur Normalität geworden. So ist es zum Beispiel in sozialen Netzwerken gang und gäbe, gegen Menschen mit einer anderen Religion oder Herkunft oder gegen Leute, die auf Unterstützung angewiesen sind zu hetzen und gar zu Gewalt gegen sie aufzurufen.

Mich erschüttert diese Entwicklung unter anderem auch darum, weil sie auf direktem Weg in eine Gesellschaft führt, die so ähnlich ist wie die, welche die Leute in der DDR im Herbst 1989 überwunden haben. Ich freue mich sehr auf den 9. Oktober. Ich werde beim 25-Jahr-Jubiläum des Friedensmarsches in Leipzig sein, feiern und dabei inständig hoffen, dass sowas bei uns nie nötig sein wird.


Christa Benz-Meier,
7.10.2014, 113. Jahrgang, Nr. 124.

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