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«Wandzeitung» vom 10.9.2014:

Die andere Winterthurer Geschichte:

Wo beginnt «braun»?

SVP Präsident Toni Brunner verweigert BDP-Präsident Martin Landolt den Handschlag – weil dieser das Gedankengut der SVP-Führung in die Nähe von totalitären Partien gerückt hatte. Gleichzeitig ruft die Junge SVP dazu auf, Lehrpersonen zu denunzieren, die «linkes Gedankengut» im Unterricht propagieren. Ein Instrument, wie es seinerzeit in der DDR die STASI einsetzte, der KGB, aber auch die Gestapo der Nazis. Ohne die JSVP eins zu eins mit diesen totalitären Organisationen gleichsetzen zu wollen, stellt sich die Frage, wie lange und wie weit solche Arbeitsweisen geduldet werden können.

Als Hilfe zur Beantwortung der Frage ein Blick zurück in eine Winterthurer Geschichte, die – wenig überraschend – im 750-Jahre Jubiläum keinen Platz gefunden hat. Es ist die Geschichte von Wadi Graber, der erst vor zehn Jahren starb.

Bereits als 14jähriger gründet er eine SATUS-Jugendriege. Er wird dafür vom Lehrer vor versammelter Klasse als «Roter» beschimpft... Schon bald steht für ihn der Kampf gegen den Faschismus im Vordergrund. Sein Ziel war es, dem Schlägertrupp der Fröntler, dem «Harst», Paroli bieten zu können. Im Januar 1934 wollen die Fröntler, die Arbeiter in Töss mit einer Grossveranstaltung provozieren, sind sie sich doch des Rückhaltes des Rechtsbürgertums bewusst. Wadi macht innerhalb der Arbeiterbewegung Druck, damit die Versammlung nicht einfach stillschweigend hingenommen wird. Wadi umstellt mit Genossen das Veranstaltungslokal und lässt die Fröntler nicht mehr raus – bis diese durch ein Grossaufgebot der Kantonspolizei befreit werden.

Mitte 1935 muss der 21-jährige Graber nach Davos zur Kur und erlebt die Nazis dort hautnah. Er hat Zeit, über die Politik und den Faschismus nachzudenken. Dann bricht in Spanien der Bürgerkrieg aus. Für ihn ist klar: «Den Faschismus muss man direkt bekämpfen.» Wadi Graber kündigt klammheimlich seine Stellung in der «Loki», packt seine Sachen, und ohne jemandem etwas zu erzählen – «das war streng verboten» – reist er ab und kämpft in Spanien gegen die Faschisten.

Wadi Graber wird verletzt. Lange gilt er als vermisst. Erst an Sylvester 1938 kommt er zurück. Wie seine Genossen kommt er auf eine Schwarze Liste, findet keine Arbeit. Nicht nur die bürgerlichen Behörden verurteilen ihn für seinen Kampf gegen den Faschisten Franco. Der SMUV Winterthur hat ihn ausgeschlossen. Auf seine Rekursschriften erhält er nicht einmal Antwort. Als Arbeitsloser arbeitet Wadi Graber im Arbeitslager bei der Mörsburg im Strassenbau.

Seinen Kampf gegen den Faschismus führt er auch nach seiner Rückkehr weiter. Er wird verhaftet und vom Bezirksgericht wegen «Beleidigung fremder Staatsoberhäupter» erneut zu einer Gefängnisstrafe verurteilt... Er wird während Jahren bespitzelt und denunziert – was ihn bei der Stellensuche behindert. Seine Fiche bei der Bundespolizei umfasste schliesslich mehrere tausend Seiten.

Auch im hohen Alter, bis zu seinem Tod 2004, kämpft er gegen totalitäre Tendenzen. Wadi Graber bewies Zivilcourage. Er vertraute auf seine Werte. Sie zeigten ihm – und vielleicht auch uns, dass Totalitarismus nicht früh genug demaskiert werden kann. Wo beginnt heute «braun»?


Matthias Erzinger,
10.9.2014, 113. Jahrgang, Nr. 97.

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Standpunkte:

14.9.2014, 14:22 Uhr.

Martin Stauber schrieb:

... eigentlich braucht es keine historischen vergleiche für das, was heute abgeht: der vorbeter der nation bringt seine parolen unters volk und hunderttausende beten sie nach, ohne das hirn einzuschalten. es gibt zwei volksgruppen: die guten, die hinter dem vorbeter stehen, und die schlechten, die unser land zerstören wollen. letztere muss man öffentlich fertig machen, bis sie abtreten ...


12.9.2014, 10:48 Uhr.

Ernst Wohlwend schrieb:

Es ist wie bei der braunen Liesel: Am Geläut erkennt man sie.


12.9.2014, 10:41 Uhr.

Kathrin Bänziger schrieb:

Braun fängt mit Menschenverachtung an. Dazu gehört Rassendiskriminierung. Soviel ich weiss, hat sich Ulrich Schlüer, langjähriger SVP-Nationalrat und Herausgeber der «Schweizerzeit» im Moment dafür vor Gericht zu verantworten.


11.9.2014, 08:28 Uhr.

David Hauser schrieb:

Gleichsetzungen, wie sie Martin Landolt vorgenommen hat, finde ich immer heikel. Brunner erhält die Gelegenheit, sich erfolgreich abzugrenzen und Landolt verwickelt sich in Widersprüche. Die Gleichsetzung hält auch historisch nicht stand. Es ist aber richtig, auf die Gefährlichkeit politischer Aktionen wie den Denunziantenaufruf für Demokratie, Rechtsstaat und Menschenrechte hinzuweisen. Und auch wohin es führt, wenn diese Grundpfeiler der Zivilisation wegbrechen. Wer die allgemeine Gültigkeit der Menschenrechte in Frage stellt, zündelt gewaltig.


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