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«Wandzeitung» vom 27.5.2018:

Das Auseinanderklaffen von Informationen zwischen Bild und Text:

Text-Text-Schere.

Der Begriff „Text-Bild-Schere“ beschreibt das Auseinanderklaffen von Informationen zwischen gezeigtem Bild und dazugehörigem Text. Bildlegende oder Titel und Bild passen nicht zusammen. Ein harmloses Beispiel war Anfang Jahr auf einer deutschen online-People-Seite zu sehen: Unter dem Titel „Jan Josef Liefers ist Krawatten-Mann des Jahres“ prangte ein grossformatiges Foto des deutschen Schauspielers – gekleidet mit einer Fliege. Häufig kommt die Variante vor, wenn über, unter oder neben einem grossformatigen Bild ein Titel eines anderen Beitrages dazugehörig erscheint und nicht nur nicht passt, sondern in der vermeintlichen Kombination Bitterböses suggerieren kann. Der Tagesspiegel publizierte 2011 ein Foto von einem Ministertreffen. Darunter einen Beitrag über die NSU-Mordserie. In der Kombination ergab das ein grosses Bild dreier Minister. Darunter die grosse Überschrift: „Nazi-Trio soll zehn Morde verübt haben“.

Am 16. Mai dieses Jahres war im «Tages-Anzeiger» eine Trouvaille verwandter Art zu sehen. Ich nenne es «Text-Text-Schere». Zwei Artikel waren auf derselben Doppelseite, unmittelbar nebeneinander angeordnet, zu sehen. Im Gegensatz zur oben beschriebenen zweiten Variante der Text-Bild-Schere hatten die Artikel nicht nichts, sondern eher zu viel miteinander zu tun. Die Schere, also das Unpassende, ergab sich aber in der journalistischen Gewichtung, welche layouterisch wie folgt zum Ausdruck kam: Auf der rechten Seite war linksbündig ein grösserer, dreispaltiger Artikel zu IV-Missbrauch: «Jeder vierte IV-Betrug mit Detektiven aufgedeckt“. Auf der linken Seite waren in der rechten Randspalte gekürzte Agenturmeldungen aufgeführt. Darunter ein Elfzeiler mit dem Titel: „Steuern: Verwaltung treibt 1,5 Milliarden zusätzlich ein».

Auf der einen Seite führte also die Deliktsumme von 12 Millionen Franken bei der IV zu einem grösseren, eigenproduzierten Beitrag, der den Kontext zur aktuellen Debatte über den Einsatz von Sozialdetektiven herstellte und den Terminus «IV-Betrug» in den Titel setzte. Auf der anderen Seite wurde in einer Randnotiz knapp und nüchtern festgehalten, dass die Arbeit der eidgenössischen Steuerverwaltung mit Steuerverfahren, Prüfungen und Strafverfahren dem Bund 1,5 Milliarden Franken zusätzlich einbrachten.

Dieses Beispiel zeigt sehr konkret auf, wie Medien Vergehen im Steuerbereich und im Bereich der Sozialversicherung unterschiedlich behandeln und gewichten. Die Medien stehen allerdings nicht allein da, es besteht eine Wechselwirkung zwischen Medien und Politik. Diese führt letztlich dazu, dass im öffentlichen Bewusstsein Vergehen bei den Sozialversicherungen als häufiger und in der Summe als höher wahrgenommen werden als bei Steuern.

In diesem Sinne ist die Text-Text-Schere im «Tages-Anzeiger» im Gegensatz zu Text-Bild-Scheren nicht auf eine layouterische Unachtsamkeit eines Einzelnen zurückzuführen. Sondern sie zeigt viel allgemeiner einen ungleichen Umgang von Politik und Medien bei zwei ähnlich gelagerten Themenbereichen auf, die dadurch auch unterschiedlich öffentlich wahrgenommen und diskutiert werden.

 


Nicolas Galladé,
27.5.2018, 117. Jahrgang, Nr. 147.

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