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«Wandzeitung» vom 6.7.2018:

Wenn wir alle patriotisch sind:

Hopp Schwiiz!

Es ist mal wieder Ausnahmezustand. Alle zwei Jahre, wenn Fussballeuropa- oder Weltmeisterschaften sind, wächst der Anteil an Patriotinnen und Patrioten hierzulande gewaltig. Auch ich fiebere selbstverständlich mit, wenn unsere Nati in Aktion tritt. Ich freue mich über jeden gelungenen Spielzug, juble bei jedem Goal und ärgere mich, wenn es nicht so rund läuft. Die Emotionen haben mich im Griff.

Aber ich bin auch ein wenig untreu. Fast genauso wie das Schweizer Nationalteam feuere ich auch die französische Mannschaft an. Denn ich habe zwei Herzen in meiner Brust. Seit vielen Jahren besitzt meine Familie ein Ferienhaus im Burgund, Frankreich ist für mich zu einer Art Wahlheimat geworden. Ich liebe das Land und die Leute, die Sprache, das Essen, die Kultur. Ich liebe Frankreich!

So wie mir geht es einigen Leuten in meinem Freundeskreis. Da ist zum Beispiel die eine Freundin, die als junge Erwachsene ein halbes Jahr in Island bei einer Gastfamilie lebte und dort ein Landwirtschaftspraktikum machte. Sie ist an Fussballturnieren Schweizerisch-Isländischer Doppelfan. Und da sind die Verwandten mit deutschen Wurzeln, die jeweils für die Schweiz und für Deutschland jubeln. Da sind die holländischen Nachbarn, die zwar dieses Jahr kein Dilemma haben, aber sonst jeweils für beide Teams zu begeistern sind.

Warum sind Menschen, die im normalen Alltag wenig Sportbegeisterung zeigen, plötzlich so intensiv mit dabei, wenn Fussball gespielt wird? Warum begeistern wir uns so für das Team eines bestimmten Landes? Weil wir eine Geschichte haben mit diesem Land. Meine Geschichte mit Frankreich hat zu tun mit einem wunderschönen Haus an einem idyllischen Dorfplatz in einer abgelegenen Gegend im Burgund. Seit vielen Jahren verbringe ich einen Grossteil meiner Ferien dort, ich ziehe mich dorthin zurück, wenn ich Zeit für mich brauche, wenn ich intensiv und in Ruhe an etwas arbeiten möchte, ich verbringe Zeit mit meiner Familie und mit lieben Freunden dort. Frankreich hat darum einen hohen emotionalen Stellenwert für mich. Frankreich hat mich geprägt und ist ein Teil meiner Geschichte.

Zurück zu unserer Fussballnationalmannschaft. Auch unsere Schweizer Spieler haben ihre Geschichten. Und viele dieser Geschichten haben mit anderen Ländern zu tun. Granit Xhaka und Xherdan Shaqiri zum Beispiel haben kosovarische Wurzeln und somit eine Geschichte mit dem Kosovo. Sie sind darum nicht weniger und nicht mehr Schweizer als Sie und ich. Sie haben ihre Geschichte, sie haben ihre Identität, und das macht sie als Menschen und als Fussballspieler aus.

Als klassisches Einwanderungsland ist die Schweiz vielfältig und bunt. Multikulti gehört zur Identität unseres Landes.Wer Mühe hat mit Nationalspielern, die ihre Wurzeln ausserhalb der Schweiz haben, hat Mühe mit der Identität unseres Landes.

In diesem Sinn: Hopp Schwiiz!

 


Christa Meier,
6.7.2018, 117. Jahrgang, Nr. 187.

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