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«Wandzeitung» vom 27.9.2014:

Heimat:

Ein selbsterständlicher Begriff?

Heimat – für uns ein selbstverständlicher Begriff, für Millionen Menschen auf der Flucht ein leeres Wort. Doch was bedeutet Heimat für mich persönlich?

Geboren und aufgewachsen in Sursee war dieses Luzerner Landstädtchen am Sempachersee unzweifelhaft meine Heimat. Wir waren stolz auf unser Rathaus, vollendet 1546. Es ist schöner als das Luzerner Rathaus, weil freistehend und nicht wie in Luzern an eine Häuserzeile angebaut. Wir waren auch stolz auf unsere Ofenfabrik, deren Öfen den Namen Sursee trugen. Wir hatten einen Pfarrer, der war nicht nur Pfarrer, sondern zusätzlich bischöflicher Kommissar und durfte an hohen Festtagen eine kleine Mitra tragen. Wir waren stolz auf unsere Geschichte, aber auch auf Leistungen bekannter Personen der Gegenwart. Ich kannte viele Leute, war begeisterter Pfadfinder. Vor über 50 Jahren verliess ich meine angestammte Heimat, um anderswo bessere Verdienstmöglichkeiten zu finden. Kürzlich schlenderte ich wieder einmal durch Sursee, meiner alten Heimat. Erinnerungen wurden wach – aber wo sind all die Bekannten geblieben? Gestorben, weggezogen, kaum wieder zu erkennen nach all den Jahren der Abwesenheit. Aus der Bäckerei wurde ein Antiquitätengeschäft, die urchige Stammbeiz ist jetzt ein Chinesenrestaurant. Alles ist fremd geworden. Enttäuscht fuhr ich nach Winterthur zurück, meiner neuen Heimat.

Was ist Heimat? Es sind nicht die Häuser, es sind die Menschen, das Vertraute, in lebendiger Entwicklung begriffen. Für die neue Heimat, Winterthur, setzte ich mich ein. In Vereinen, in der Pfarrei, in der CVP. Ich fühlte mich mitverantwortlich für das, was in Winterthur geschieht oder unterlassen wird. Als zweiten Heimatort wählte ich Winterthur und bin Bürger dieser Stadt geworden.

Aber ich muss gestehen, in den letzten Jahren hat mich eine gewisse Hilflosigkeit erfasst. Die CVP, für die ich während langer Jahre im Grossen Gemeinderat sass und die Werte vertrat, die mir wichtig sind, gibt es in Winterthur nicht mehr. Sie trägt immer noch den gleichen Namen, vertritt aber ganz andere Interessen. Vereine wurden aufgelöst, vertraute Geschäfte und Gaststätten gibt es nicht mehr. Geblieben sind Menschen, die man gerne trifft und mit ihnen den Gedankenaustausch pflegt. Doch was passiert in unserer Stadt? Mit Befremden verfolge ich die mühsamen Debatten im Grossen Gemeinderat, Kleinkrämer sind gefragt. Der Stadtrat ist grossen Zwängen ausgesetzt, aber auch von Mutlosigkeit geprägt. Wer vermittelt eine neue Zuversicht für unsere Stadt, für unsere Bewohnerinnen und Bewohner? Die Leserbriefspalten sind voll von kleinlichen Vorwürfen gepaart mit Missmut und aggressiven Forderungen, oft gegen Schwächere gerichtet.

Was ist zu tun, um aus Mutlosigkeit, Enttäuschung, Gärtlidenken und sozialer Gleichgültigkeit herauszukommen? Diese Frage stelle ich den Leserinnen und Lesern der «Wandzeitung».


Haymo Empl,
27.9.2014, 113. Jahrgang, Nr. 114.

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