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«Wandzeitung» vom 11.8.2014:

Der Lagerhausplatz als urbanes Bijou:

Das Leben ist dort, wo nicht spekuliert wird.

Mit Boden kann in der Schweiz sehr viel Geld verdient werden. Kein Wunder: Boden ist nicht vermehrbar. Damit steigt der Wert bei zunehmender Knappheit ins Unbezahlbare. Für Normalsterbliche. Nicht aber für die grossen, zunehmend ausländisch-beherrschten Immobilienfirmen. Allreal und Mobimo haben sich innert 10 Jahren in der Stadt Zürich 15 Prozent des Wohnungsmarktes einverleibt. Damit haben allein diese beiden Unternehmen in 10 Jahren das geschafft, wozu die Genossenschaften fast 100 Jahre brauchten. Mit dem nicht unbedeutenden Unterschied, dass Genossenschaftswohnungen auch dem Mittelstand schönes Wohnen ermöglicht, während die renditeorientierte Wohnbaupolitik nur auf die obersten Einkommen zielt.

Bieten wir der Spekulation nicht Einhalt, wird unser Boden in Kürze ausverkauft und der Profitgier überlassen sein. Gentrifizierung sagt man dem Phänomen, wenn normal Verdienende wegen unbezahlbarer Wohnungen und Ladenmieten aus den Stadtzentren vertrieben werden. Wie das vor sich geht, sieht man in Winterthur vorläufig vor allem im Gewerbebereich: Traditionsunternehmen wie Giovanelli oder Tenti verschwanden schon vor Jahren. Aber auch grosse Läden wie Orell Füssli können sich in der Marktgasse nicht mehr halten. Anstelle eines attraktiven Gewerbe- und Ladenmix reiht sich ein Billigkleider-Shop an den anderen. Und so sieht die Marktgasse in der Zwischenzeit so aus wie die Ladenstrasse in jeder beliebigen europäischen Kleinstadt.

Doch in Winterthur haben wir auch das Gegenbeispiel: der Lagerhausplatz auf dem Sulzerareal. Der Pensionskasse Abendrot aus Basel ist es zu verdanken, dass dieses lebendige Geviert der Spekulation entzogen wurde. Der Lagerhausplatz ist ein Bijou in Winterthur. Die Perle «Portier» – als eines der schönsten 100 Cafés der Schweiz ausgezeichnet – heisst willkommen. Gewerbe, Musikschule, Kunstatelier, Backpacker, Kraftfeld und viel Platz zum Spriessen und Wachsen vermischen sich in ein wunderbares urbanes Wohlgefühl. Und weil Schönes der Freund des Guten ist, kommt das neue schmucke Restaurant «Les Wagons» dazu. Vis-à-vis vom Kraftfeld und dem neu geplanten Kulturkino sollen drei Wagen der alten Uetlibergbahn in ein gemütliches Restaurant mit Gartenbeiz umgestaltet werden, und dies mit gleicher Sorgfalt wie beim Café Portier. Ein Lichtblick in all den düsteren Spar- und Abbaufantasien! Und ein Engagement, für das ich einfach danke sagen möchte.

Schön, dass es Pensionskassen gibt, die es ernst meinen mit einer nachhaltigen Investitionspolitik. Schön, dass es Leute gibt, die Neues wagen und ins gemeinschaftliche Leben investieren. Schön, dass es in Winterthur Plätze gibt wie das Lagerhausareal. Schön, wenn uns diese Erfahrung motiviert, den Boden vermehrt der Spekulation zu entziehen.


Jacqueline Fehr,
11.8.2014, 113. Jahrgang, Nr. 67.

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