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«Wandzeitung» vom 14.7.2014:

Neue und alte Religionskriege:

Morden für den wahren Gott.

Es ist ja alles weit weg, was gegenwärtig in Syrien und im Irak abgeht, aber kalt lassen darf er uns nicht, dieser neue, von der muslimischen Extremistengruppe Isis losgetretene Religionskrieg, den wir täglich im Internet und in der Tagesschau zu bester Sendezeit mitverfolgen können. Morden für den wahren Gott hat wieder Konjunktur, und zwar am besten so brutal wie möglich.

Damit die blutigen Taten im Namen Allahs auch wirklich ihre volle Wirkung entfalten, verbindet sich das im 8. Jahrhundert verankerte Religionsverständnis der Isis-Terroristen mit modernsten Kommunikationsmethoden des 21. Jahrhunderts. Das Köpfeabschlagen, Auspeitschen und massenhafte Erschiessen von Gegnern wird fleissig gefilmt und umgehend ins Internet gestellt.

Damit werden zwei Ziele erreicht: 1. Isis verbreitet Angst und Schrecken und lähmt damit jeden Widerstand. 2. Isis erhält Zulauf von jungen Fanatikern, nicht zuletzt aus Europa, die vom Erfolg der Terrororganisation fasziniert sind und dort eine Perspektive für ihr Leben sehen. Wenn diese Kriegstouristen irgendwann zurückkommen, könnten sie für uns brandgefährlich werden.

Das ist kein Nachbeten der Paranoia von übereifrigen Polizeiorganen, sondern berücksichtigt die Tatsache, dass es auch bei uns Leute gibt, die die Überzeugung vertreten, dass das Töten von Ungläubigen gottgefällig sei. Noch sind es glücklicherweise nicht viele, aber schon die Wenigen sind in der Lage, eine Menge Unheil anzurichten, weil sie in der Regel abgeschottet von der als feindselig empfundenen Umwelt nur in ihren Zirkeln leben und folglich erst sichtbar werden, wenn sie zur Tat schreiten. Dafür gibt es genügend Beispiele.

Falls nun der Eindruck entstehen sollte, dass mit diesen Zeilen nur muslimische Extremisten gemeint seien, dann ist das ein Irrtum. Auch die Christen sind zu Hass und Terror fähig, siehe die Massaker in der Zentralafrikanischen Republik, darum empfiehlt sich ein Blick in unsere eigene leidvolle Geschichte. Allein in der Schweiz gab es vier Religionskriege: Kappel 1, 1529, und 2, 1531, Villmergen 1, 1656, und 2, 1712, und den ebenfalls stark religiös unterlegten Sonderbundskrieg, 1847.

Weitgehend verschont blieb die Schweiz hingegen vom Dreissigjährigen Krieg, 1618-1648, der grosse Teile Europas in einen Schutthaufen verwandelte und ebenfalls von religiösen Gegensätzen dominiert war. Wir Europäer haben in den letzten Jahrhunderten zur Genüge bewiesen, wozu wir im Kampf für den wahren Glauben fähig sind, und wir brauchten mehr als 200 Jahre, um unsere Lehren aus den Religionskriegen zu ziehen.

Dass sich heute Protestanten und Katholiken mit Respekt begegnen und die modernen europäischen Staaten konfessionell neutral sind, verdanken wir hauptsächlich unserer eigenen schrecklichen Vergangenheit. Der konfessionelle Friede und die strikte Trennung von Politik und Religion sind daher wichtige Errungenschaften unseres Kontinents. Es lohnt sich, sie gegen alle zu verteidigen, die sich immer noch berechtigt fühlen, im Namen Gottes töten zu dürfen.

Dieser Text ist erstmals in der «Schaffhauser AZ» vom 26.6.2014 erschienen.


Bernhard Ott,
14.7.2014, 113. Jahrgang, Nr. 39.

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