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«Wandzeitung» vom 28.9.2014:

Du fehlst mir:

Was Drogendealer anrichten.

Trauer. Manchmal ist das Leben einfach ungerecht. Zwei Wochen ist es her, seit er von uns gegangen ist. Seit ihn die Schutzengelchen zu sich geholt haben. Noch immer kann ich es kaum glauben. Es kommt mir alles so surreal vor. Und jedes Mal, wenn ich daran denke, breitet sich eine Leere in mir aus. Weg ist er, ohne sich verabschiedet zu haben.

Unfassbarkeit. Meine letzten Worte zu ihm waren, es würde alles gut. Doch das hatte ich nicht damit gemeint. Mein ganzes Leben hatte ich mit dem Wissen gelebt, wie krank er war und hatte versucht, mich auf diesen Tag vorzubereiten. Doch als es soweit war, traf es mich doch wie ein Schlag. Wer hätte damit gerechnet, dass das wirklich passieren würde? Dass es von reiner, jugendlicher Neugier, etwas Neues zu probieren, das einen für einen Moment in einer anderen Welt – in einem Rausch – schweben lässt, zum Tode führen kann? Es war das Heroin, mit dem alles begann. Wie viele andere rutschte auch er da hinein und kam nicht mer heraus. All die Drogen und der Alkohol, der dann später auch noch dazukam, beschädigten seinen Körper so sehr, bis der irgendwann einfach nicht mehr mithalten konnte und aufgab. Tausend Male haben wir uns gefragt, wie es überhaupt möglich war, dass ein menschlicher Körper so viel ertragen kann. War er vielleicht schon immer ein Engelchen unter uns gewesen?

Sehnsucht. Er fehlt uns allen. Seine gefühlsvolle und liebenswürdige Art, seine Hilfsbereitschaft, seine Offenheit, seine Grosszügigkeit. Niemals hätte er irgendwen ausgegrenzt, dafür war er viel zu gut. Für seine Liebsten hätte er alles gemacht. Es gibt so viele Menschen, die ihn vermissen und seinen mitfühlenden Charakter so geschätzt haben. Nicht nur die Eltern und Geschwister, auch viele Freunde, Wohnheimangestellte, sogar Polizisten haben das Gute sofort in ihm gesehen.

Wut. Es ist hart, jemanden so Nahestehenden zu verlieren, besonders wenn es unter Umständen geschieht, die man hätte verhindern können. So viele weitere Leute starben schon genau an dieser Krankheit oder werden es noch tun. Doch ist Drogen- und Alkoholsucht eine Krankheit? Es ist ein Selbstverschulden da reinzugeraten, doch wir, als Aussenstehende, haben doch gar keine Ahnung, wie sich eine solche Sucht anfühlt. Das Kranke ist vielleicht genau dieses Nichtmehrhinauskönnen, das sich im Kopf festgesetzt hat. Den Vorwurf mache ich all diesen Drogendealern, die täglich für mehr Todesopfer verantwortlich sind. Es ist reiner Egoismus und Geldsucht, die sie antreibt! Wie gerne würde ich die einfach mal richtig durchschütteln und ihnen in die Ohren schreien, was sie alles anrichten oder besser, was sie alles verhindern könnten.

Doch ich sitze nur hier, mache mir Gedanken über dieses und jenes, aber ändern kann ich doch nichts. Das einzige, was mir bleibt, ist das Wissen, dass er immer ganz nah bei uns sein und über uns hüten wird.

Du fehlst mir, mein liebster, grosser Bruder.


Salome Weber,
28.9.2014, 113. Jahrgang, Nr. 115.

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Standpunkte:

29.9.2014, 10:45 Uhr.

Pierre-François Bocion schrieb:

Liebe Frau Weber, Ihren ausgezeichnet geschriebenen Text habe ich gelesen und bin tief berührt. Sie und Ihren Bruder kenne ich nicht persönlich, aber von Erzählungen Ihres Vaters gut. Ihnen und Ihrer Familie kondoliere ich von Herzen – leider spät. Ich glaube, ich kann Ihr Leid erahnen, weil ich vor neun Jahren etwas Ähnliches erlebt habe. Die schwere Zeit, die vor Ihnen liegt, trage ich im Stillen mit. Mit bestem Gruss, Pierre-François Bocion


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