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«Wandzeitung» vom 23.11.2015:

Was Österreich und die Deutschschweiz trennt, ist die gemeinsame Sprache:

Schweizerische Sprachbesonderheiten.

Hugo Loetscher erzählt, bei einer Probe zu Dürrenmatts «Romulus der Grosse» habe der Kaiser das «Morgenessen» verlangen sollen. Nach dem Protest des Schauspielers, das sei nicht deutsch, schrieb der Autor die Szene wütend um. Noch immer verlangt Romulus das «Morgenessen». Der Zeremonienmeister korrigiert ihn, es heisse «Frühstück». Da entgegnet Romulus der Grosse: «Was klassisches Latein ist in diesem Haus, bestimme ich.»

Helvetismen hätten es, so Loetscher, immer schwerer gehabt als beispielsweise Austriazismen. Während diese rascher als Bereicherung und schöpferischer Einfall gälten, setze sich, was nach Helvetischem rieche, «sogleich dem Verdacht aus, mangelhafte Sprachkenntnis oder sprachliches Ungenügen zu sein, im guten Fall Alpen-Exotik.»

Beträchtliche Unterschiede gibt es im Vokabular. Mitunter kann sogar ein und dasselbe Wort in den beiden Sprachräumen Verschiedenes bedeuten.Wenn ein Schweizer «Rahm» sagt, dann will er Obers, tut es ein Österreicher, möchte er Sauerrahm. Eine Tanne kann eine Fichte sein (in Österreich ist sie stets eine Weisstanne), Peperoni sind normale Paprika und nicht kleine, scharfe Schoten. Während man in Österreich unter Estrich einen zementierten Fussboden versteht, bezeichnet man in der Schweiz mit diesem Wort den Dachboden. Finken sind im einen Land Singvögel, im andern auch warme Hausschuhe.Wer angefressen ist, ist in der Schweiz begeistert, in Österreich das Gegenteil. Die Türfalle bezeichnet nichts auf den Eintretenden Lauerndes, mit den Zeitungsverträgern sind Austräger gemeint, und die Gänsehaut mutiert zur Hühnerhaut. Für die Knackwurst sagt man Cervelat, für die Frittaten Flädli, der Vogerlsalat ist ein Nüsslisalat, die Zucchini sind Zucchetti und aus dem Wasserhahn fliesst statt Leitungswasser Hahnenwasser.

In Wörterbüchern des Schweizerdeutschen stösst man auf den Ammann, die Beige, die Beiz, das Brockenhaus, den Harass, den Hinschied, die Papeterie, den Selbstunfall, das Trottinet, das Velo, die Vernehmlassung, auf serbeln, verzeigen, werweissen, auf innert und ennet, auf seltsame Nomen wie Untersuch oder Verlad. Autos werden parkiert, Güggeli grilliert, es hat viele Leute, man hat kalt.

Die schweizerdeutsche Mundart ist für Fremde meist schwer verständlich. Hans Weigel beschreibt, wie Ricarda Huch in ihren Jugenderinnerungen an die Schweiz ihren ersten Abend in einem Zürcher Hotel schildert. Damen und Herren unterhalten sich lebhaft in einer Sprache, von der sie kein Wort versteht. Es war keine von den bekannten westeuropäischen Sprachen, auch keine slawische; sollten sie kalmückisch oder tatarisch reden? Erst zum Schluss entpuppt sie sich als Zürichdeutsch.

Auch dann, wenn man meint, diese Sprache zu verstehen, erweist sich dieser Glaube oft als trügerisch. Nachdem einmal eine Schweizer Brieffreundin bei mir in Österreich zu Gast gewesen war, sagten meine Eltern, ihr Schwyzerdütsch sei leicht zu verstehen gewesen. Bedauerlicherweise aber hatte die Betreffende Schriftdeutsch gesprochen ...

 

 


Herbert Danzer,
23.11.2015, 114. Jahrgang, Nr. 327.

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