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«Wandzeitung» vom 4.3.2015:

Die grosse Leere: Ist das Mass jetzt endlich voll?

Wachstumsgedanken.

Endlich März. Die Tage werde länger, bald beginnt der kalendarische Frühling. Zwacke ich Forsythienzweige aus der Hecke und stelle sie ins Wasser, so dauert es eine knappe Woche, bis die gelben Blüten meine Stube schmücken. Ich bin froh, werden die Tage länger, wird das Licht heller. Die graue Winterstimmung schlägt mir aufs Gemüt. Das wird mir immer bewusst, wenn die Sonne wieder lacht und ich mich so leicht und glücklich fühle.

Auch habe ich mehr Musse, um durch die Stadt zu fahren, Betrachtungen anzustellen. Letzthin auf dem Rückweg von einem Besuch schweift mein Blick zum roten Turm: Hunderte von Büroquadratmetern sind dort zu haben. Der Turm scheint leer! Ach ja, die AXA zieht ins Sulzerareal. Ob die ZHAW auf die Länge bleibt oder ins Werk 1 zieht? Dann stünde gelegentlich der ganze Mäander leer, der Anfang der neunziger Jahre des letzten Jahrtausends mittels Volksabstimmung zum neuen urbanen Zentrum der Stadt hochstilisiert wurde.

Zwanzig Jahre später: tote Hose, nix von Belebung, rein gar nix. Ist ja auch klar, wer will denn seine Zeit in diesem windigen Schattenloch verbringen, zwischen den roten Hochhausmauern! Das Sulzerhochhaus steht auch leer, auch dort ist der Leerraum um das Hochhaus herum tot, höchstens die Ottomotor-Blechbüchsen sind tagsüber froh um den Abstellplatz. Leer, sinniere ich, auch die Archhöfe sind zu leer, der Platz davor wirkt alles andere als einladend. Lokwerk und Kesselhaus stehen ebenfalls mehrheitlich leer, rentieren nicht. Da nutzen keine noch so langen Öffnungszeiten, Sonntagsverkäufe, Euro-Rabatte.

Lebe ich also in der boomenden Leerstadt? Wachstum mit inhaltlicher Leere, zur kurzfristigen Auslastung der Bauwirtschaft? Der schweizerischen Bauwirtschaft oder der internationalen, weil der Franken nun so teuer ist? Ist das die mehrheitsfähige Stadtentwicklung? Leere Konsumtempel, leere Bürohochhäuser, leere, unbelebte, windige Plätze darum herum? Und wozu das Ganze? Die Stadt, ihre Bauten und Lokalitäten sollten den Menschen dienen und nicht umgekehrt.

Oft habe ich das Gefühl, dass wir in unserem ganzen Überfluss buchstäblich ersaufen. Als Folge des unserem System zu Grunde liegendem Wachstumsgedanken. Mehr, schneller, höher, unabhängig davon, ob es uns dient oder nur schon gebraucht würde. Immer mehr sollten wir kaufen, egal ob wir das Gekaufte konsumieren oder nicht, wird es weggeschmissen, dient die Vernichtung wiederum einer Steigerung des BIP, lastet die KVA aus und produziert Wärme – ein Irrsinn. Foodwaste lässt grüssen.

Wir ersaufen gewissermassen auch in unserem Büroangebot. Die vielen neuen und alten Räume müssen genutzt werden, Verwaltung muss her. Im Privaten wie auch im Öffentlichen. Fachhochschulen mit unbestimmten Studiengängen schiessen wie Pilze aus dem Boden, all die studierten Menschen müssen in die Verwaltungen versorgt werden, damit sich die Ausbildungskosten lohnen, attraktiv bleiben.

Nur das Mensch werden, bleibt dabei auf der Strecke. Sollten die leeren Konsumtempel und die leerstehenden Bürotürme erste Anzeichen für das Ende dieses Wachstumsirrsinns sein, ich würde mich freuen.


Marlies Bänziger,
4.3.2015, 114. Jahrgang, Nr. 63.

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Standpunkte:

29.3.2015, 14:07 Uhr.

Haymo Empl schrieb:

Hans Stich wählt die Grünen nicht, er wählt nicht SP - wen denn sonst? Hat er sich als Wähler verabschiedet? Es macht keinen Sinn, eine neue Partei zu gründen, die wie Hans Stich links, sozial, liberal, aufgeklärt und weltoffen ist. Die CVP bezeichnet sich als sozial-liberal, deren Politik ist aber weit davon entfernt, sozial zu sein. Warum soll es nicht gelingen, in der SP oder bei den Grünen Mitglied zu sein und von innen heraus deren Politik zu verändern? Über die zukünftige Entwicklung unserer Gesellschaft wäre vertieft zu diskutieren. Das immerwährende Wachstum und immer höhere Löhne ist nicht der Weisheit letzter Schluss. Warum gelingt es nicht, den Menschen statt der Kauffreude andere, nicht käufliche Werte zu vermitteln?


23.3.2015, 18:57 Uhr.

Hans Stich schrieb:

Leider ein sehr realistischer Blick auf die Lage Winterthurs. Frau Bänziger, wenn Sie nicht von den Grünen wären hätten Sie meine Wahlstimme. Doch die meisten Grünen und SP – wie auch viele im extrem rechten Spektrum stellen ihre Parteiideologie in religiösem Ausmass über Sachpolitik. Drum wähle ich konsequent keine SP und keine Grünen mehr, obwohl meine Ideale links, sozial, liberal, aufgeklärt und weltoffen sind. Die Grünen und die SP haben mit ihrem Einsatz für noch mehr masslose Zuwanderung die Interessen der Arbeitnehmer auf dem CH-Arbeitsmarkt (Lohndruck, Weiterbildung, Altersgrenze) und die Interessen der CH-Einwohner (Verkehr, Wohnungspreise) verraten und statt dessen 100 Prozent die Interessen der ausbeuterischsten Unternehmer (Gewinnmaximierung durch immer mehr Wachstum durch immer mehr und immer billigere Arbeitskräfte) vertreten. Die Gründe mögen eine ideologisch definierte und falsch verstandene «Offenheit» sein oder auch der Wunsch, dass diese Entwicklung zu mehr Armut führe und den Sektor der sozial schwachen verstärken könnte, was dann ja wieder tendeziell Linkswähler wären, beziehungsweise ihre immer grössere Budgets in die sozialen Werke spühlen würde. Aber Sie irren sich, über 50 jährige, die keinen Job mehr finden, wissen, dass sie dies auch der Politik der SP und der Grünen zu verdanken haben!


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