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«Wandzeitung» vom 4.11.2015:

EIN SATZ:

Auf dem Bärfussweg.

Ein Zwerg auf den Schultern des Riesen kann weiter sehen als der Riese. JOHANN JAKOB WILHELM HEINSE.

Der Bärfussweg unterscheidet sich vom Barfussweg, dem Marketinggag von Appenzellerland Tourismus, nicht nur durch den Umlaut, sondern auch dadurch, dass er deutlich härter zu begehen ist als das weiche Voralpengras. Er weist einen hohen Ligningehalt auf und birgt die Gefahr, en Spiise – wofür es keine vernünftige deutsche Übersetzung gibt – einzufangen. Bärfuss hat im Feuilleton der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» die Verzwergung unseres Landes angeprangert. Die von ihm favorisierte Übersetzung müsste demnach «Zwergholzspan» sein.

Aber um Kleinheit geht es in der heutigen Kolumne nicht, weder um die der Appenzeller noch um Zwergenwerfen oder ein Mikrogenitale. Auch nicht um Mundart. Vielmehr um das Phänomen, dass sich zwei umso verbissener bekämpfen, je ähnlicher sie sich sind. Bärfuss’ Beobachtungen sind nicht in allem richtig. Aber auch nicht in allem falsch. Jedenfalls aber im grundlegenden Irrtum, dem die Linke seit einiger Zeit verfällt und der ihre Schwäche ausmacht: der Überzeugung, über die Wahrheit zu verfügen. Das ist genauso anmassend wie die Anmassung der Wahrheit ihres Standpunkts durch die Rechte. Beide Seiten sind in diesem Punkt genau gleich. Übrigens auch in andern Punkten, beispielsweise beim Ruf nach dem Staat zur Lösung aller sozialen Probleme. Die Linke ist bitter enttäuscht, dass ihr etatistischer Standpunkt aktuell nicht so punktet wie dasselbe in rechts.

Die stete Wiederholung, dass linke Werte den rechten überlegen seien, hilft nicht. Eine Idee muss sich gegen die Denkstarre der Massen durchsetzen. Dafür kann man weniger lautere Mittel einsetzen: Man kann eine Revolution gewinnen, eine Diktatur einrichten, beispielsweise. Oder man kann gebetsmühlenartig den Feuilleton mit moralischer Besserwisserei bewirtschaften. Garniert mit ein paar Schlagworten wie der Verzwergung der Schweiz oder dass diese des Wahnsinns sei – in Kombination doch recht diskriminierend.

Alsbald tritt sich, Automatismus der schreibenden Zunft, eine Debatte los, welche die wohl zementierten Positionen tradiert. Aber dieser Autor hat sich eingemischt. Und das steht dann in Wikipedia und wird an seiner Abdankung herausgestrichen. Und so hat er der nicht schreibenden Staatsbürgerin, der die Pflicht zur Einmischung gleichfalls obliegt, etwas voraus: das Honorar für seinen Feuilletonbeitrag und die Erwähnung in Wiki und Nachruf.

Man kann aber auch die besseren Argumente haben und sie attraktiver präsentieren. Wie überall muss auch im politischen Prozess der Köder dem Fisch schmecken und nicht der Fischerin.

Und das ist der springende Punkt. Die Rechte beherrscht den Fischfang zur Zeit besser als die Linke. Und es nützt überhaupt nichts, die Fische für krank oder klein zu erklären. Man muss besser angeln können. Oder mit einem etwas friedlicheren Bild: Das Biotop besser hegen.


Adrian Ramsauer,
4.11.2015, 114. Jahrgang, Nr. 308.

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