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«Wandzeitung» vom 17.7.2015:

Denken?

Denkanstösse ...

Also ich gebe es gleich zu: Ich denke nicht besonders viel und auch nicht besonders tief. Aber hie und da denke ich schon, zum Beispiel über das Wort ANDENKEN. Da ist nicht das Mitbringsel aus den Ferien gemeint, sondern das Andenken eines Problems. Es wird, vor allem in der Politik, gebraucht, wenn man gar nicht richtig denkt, jedenfalls nicht zu Ende. In Sitzungen und ähnlichen Veranstaltungen wird immer wieder angedacht. Das ist nicht mein Ding, wobei zu sagen wäre, dass meine Tätigkeit auch nicht viel zu denken gibt. In meiner Arbeit brauche ich Einfühlungsvermögen, Geduld und dicke Haut. Denken ist da nicht so gefragt. Nachdenken, das gibt es bei mir schon: «Selbstreflexion» würde der Psychologe sagen. Bei mir läuft es darauf hinaus, dass ich hinterher klüger bin als vorher.

Zum richtig Denken brauche ich einen Anstoss, den ich im Alltag nicht erhalte. Da hilft das jährlich erscheinende Taschenbuch «DENKANSTÖSSE». Wer darin liest – oder etwas anliest – kommt garantiert dazu, über Texte oder Tatsachen nachzudenken. Die Denkanstösse 2016, die soeben erschienen sind, bieten viel: Das ist ein Lesebuch aus Philosophie, Kultur und Wissenschaft.

Bewegt und betroffen gemacht hat mich in dieser Ausgabe ein Text von Cornleia Stolze. Sie hat untersucht, wie neue Medikamente ihre Zulassung bekommen – in den USA und in Europa – und welche Nebenwirkungen dazu führen, dass das Medikament – meist «freiwillig» vom Markt genommen wird. Ausgelöst hat diese Nebenwirkungs-Untersuchung der Contergan-Skandal. Sie erinnern sich: Ende der 50er-Jahre kam es als Beruhigungsmittel auf den Markt. Es verhinderte zudem auch die Überlkeit während der Schwangerschaft. Und es war rezeptfrei erhältlich. Der Wirkstoff Thalidomid verursachte bei Neugeborenren schwere Schäden an den Gliedmassen. Bis Ende 1961 waren es weltweit mehr als 10 000 Jungen und Mädchen. Die Herstellerfirma nahm es Ende 1961 vom Markt. Die wichtigste Konsequenz war nach diesem Skandal, dass in Deutschland ein längst fälliges Zulassungsverfahren für Medikamente eingeführt wurde.

Wichtig zu wissen: Viele Medikamente rufen bei älteren Menschen häufig Nebenwirkungen hervor, die als charakteristische Merkmale einer Demenz gelten. Aber auf dem Beipackzettel der Medikamente – meist in Fachchinesisch formuliert – finden wir nur wenige Nebenwirkungen. PRADAXA und XARELTO sind die nächsten Absturzkandidaten, beide sind neuartige Blutgerinnungshemmer, die aber in mehr als 4000 Fällen schwere Blutungen verursachten, die, weil eine Gegenmittel fehlt, nicht zu beherrschen sind. Die Herstellerfirma zahlte 470 Millionen Euro und nahm das Mittel vom Markt.

Wenn ich solche Artikel lese, denke ich fast automatisch über die Gesundheit (auch meine) und Ärzte und Apotheker nach, denen viele Nebenwirkungen erst im Nachhinein bekannt werden. Das war ein bisschen viel Medizin, aber im zitierten Buch finden Sie auch Provozierendes, Angenehmes und Lustiges, zum Beispiel die Entdeckung eines Grosshumoristen (Dostojewski) oder die Bibel als Buch einer Frauenemanzipation. – Aber wie bei einem Medikament: Im Zweifelsfall fragen Sie einfach den Arzt Ihres Apothekers.


André Bernhard,
17.7.2015, 114. Jahrgang, Nr. 198.

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