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«Wandzeitung» vom 17.9.2015:

Die kleinen Freuden des Alltags:

Was mich glücklich macht.

Es gibt Tage, an denen alles schiefgeht. An denen nichts stimmt: keine Konfitüre mehr, die Zeitung nicht im Kasten, der Bus hat Verspätung, der Zug ist weg. Was macht mich dann noch glücklich??!! In der Wochenzeitung DIE ZEIT gibt es eine Rubrik, in der Leser schreiben, was ihren Tag rettet oder was sie glücklich macht. Es ist erstaunlich, was da alles erwähnt wird. Oft sind es Kleinigkeiten, die darüber entscheiden, ob ein Tag glücklich war oder gewesen ist. Natürlich sind es keine grossen Ereignisse, sondern eher Kleinigkeiten. Interessant ist dabei, dass man den Menschen dahinter ahnt oder wahrnimmt.

Der Alltag ist bei den meisten Menschen ausgefüllt mit Tätigkeiten, die zur Routine geworden sind, und da ist es oft nicht so einfach, die glücklichen Momente zu erleben, ja, sie überhaupt zu bemerken. Und dann sind es oft «Freudeli», die man anderen gar nicht mitteilt, oft auch kleine Racheakte am Berufsalltag, der, so scheint es, für viele Zeitgenossen nicht so lustig ist.

Für mich persönlich braucht es wenig für einen guten Tagesstart: Wenn ich mit einem guten Kaffee im Tibits und einigen guten Meldungen aus der Tagespresse beginnen kann, ist das schon ein kleiner Glücksmoment. Oder die Nachbarkatze, die mich oft auf dem Weg zum Kaffee begrüsst. Das Vokalensemble LaLa mit dem «Locus iste» von Bruckner, das zufällig am frühen Morgen aus meinem Handy klingt.

Je nach Beruf und dem damit verbundenen Frust gibt es natürlich auch weniger elegante Möglichkeiten für ein kleines Glücksgefühl: Für einige Busfahrer zum Beispiel ist es eine kleine Alltagsfreude, jemandem vor der Nase wegzufahren – wahrscheinlich ist das die einzige Möglichkeit, sich am Fahren zu freuen – nein, ich vergesse den Rennfahrer, der heute morgen mit rasanten Stopps und Anfahrtsmanövern das Frühstück der Passagiere durchschüttelte. (Nichts gegen die Busfahrer: Ich habe vier gute Freunde unter den etwas 150, die gut fahren und Manieren haben.) Oder die Bedienung, die genau sieht, dass ich wenig Zeit habe und mir als Letztem die Speisekarte bringt. Oder der Kellner, der mir zwar den Wurstsalat rechtzeitig hinstellt, aber mit kalten Pommes.

Aber zurück zu den unverhofften kleinen Alltagfreuden, denn was unerwartet sich ereignet, macht oft mehr Spass und Glück als das geplante: einen Sonnenuntergang am Meer mit einer schönen Begleitung. – Ein Kompliment für eine Kleinigkeit. – Das Lächeln eines fremden Menschen. – Der Anruf meiner Tochter, die mir den gelungenen Abschluss ihrer Matura mitteilt. – Mein Sonderschüler gibt seine Abschlussarbeit einen Tag zu früh ab. – Das Frühstückscroissant ist noch warm.

Es gibt vieles, das Freude macht, manchmal sogar glücklich. Schön ist es auch, die kleinen Ereignisse anderer zu lesen – ich entdecke oft noch kleine Freuden, die mir bislang verborgen geblieben waren.

Suche Perlen in Muscheln, Funken in den Augen, die Wahrheit im Wein, die Nadel im Heuhaufen, den kritischen Punkt, den Sinn des Lebens, den Pfad der Tugend, Menschen und deren Geschichten – das alles kann Freude machen, Erkenntnisse bringen – oder ein wenig Glück.

Das Leben ist schön! Dass es einfach ist, steht nirgends.

 


André Bernhard,
17.9.2015, 114. Jahrgang, Nr. 260.

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