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Herausgeber: Guido Blumer & Roger Rutz.
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«Wandzeitung» vom 21.9.2015:

Nichts ist schlimmer für die Welt, als wenn sich der Mensch nie und nimmer verändern will:

Ich gestehe es, ich bin verrückt!

Es ist überhaupt nicht so, dass ich mich für bizzar, grotesk, närrisch, schrullig, wunderlich oder so was halte. Ich bin bloss verrückt. Aber nicht so, dass ich auf der Musikfestwochen-Bühne meine Kleider vom Leib reissen werde, mein Lebtag husche ich auch beileibe nicht bei Vollmond über die Obertor-Dächer, bohre niemals öffentlich in der Nase oder spucke ganz bestimmt nie und nimmer in den schönen Fortuna-Brunnen. Ich würde auch um keinen Preis mit einer Pistole durch Winterthurs Gassen rennen beziehungsweise mich im Alkohol ersäufen. Nein! Gott behüte! Ich habe – wie das wohl in jedem gesunden Menschenleben geschieht – meine Gesinnung geändert, also meine Meinung verschoben oder mich halt verrückt.

Früher war ich ein leidenschaftlicher Sozialdemokrat, bis mir von der gestrengen Cheftippse unfreundlich empfohlen wurde, ich solle doch abhauen. Keine Seele traure mir nach. Auch wenn mich das bis heute ein bisschen wurmt oder gar schmerzt, dass ich ihr parierte, wähle ich auch ohne Parteibüchlein und stattlichen Parteiausgleichsbeiträgen noch immer und für ewig (?) Menschen mit soziale Gesinnung und wachem Geist. Söttige Exemplare gibt es ja durchaus immer noch reichlich bei den Sozis. Aber! Ich bin halt auch schon jahrzehntelang ein kleiner Unternehmer, ein leidenschaftliches kleines U, das an die Innovationskraft aller KMU glaubt und als die wesentlichen wirtschaftlichen Stützen unserer schweizerischen Gesellschaft. Und weil nach Fjodor Michailowitsch Dostojewski Veränderung das ist, was die Leute am meisten fürchten, bleibe auch ich trotz meiner Verrückung vom Angestellten zum Unternehmenden im Widerspruch zur meiner Vergangenheit: ein Erdenbürger, der fast gar alle Menschen ins Herz geschlossen hat. Ist also meine Gesinnung doch noch die gleiche wie in jungen Jahren? Da entlehne ich mir Goethes Weisheit, der schrieb, dass Menschen durch Gesinnung geinigt würden, aber durch Meinung getrennt.

Aber hoppla, da muss ich also doch was eingestehen: Zwar verteidige ich überaus gerne Menschen jeglichen Alters und beider Geschlechter. Also alle Kronen der Schöpfung, ausser Quäler von menschlichen und tierischen Kreaturen und Vernichter von Leben. Ja, und in diesem Zusammenhang habe ich Kontakte zu Polizisten geknüpft, weil ich die als tolle Geschöpfe wahrnehme. Und ich habe mich sogar in meinem Leben so weit aus dem zweiten Stock des Fensters im Gebäude zum Elefanten gelehnt – gleich hinter dem Fortuna-Brunnen, dass ich jetzt sinnbildlich ausgedrückt, den Frauen und Mannen von der Stapo über die Gasse hinweg gern die Hand reiche.

Es gibt so viele schimpfende und schreibende Wutmätze in unserer Stadt, die jahrein-jahraus die Bullen kritisieren, ohne dass sie deren unglaublich vielseitige Arbeit kennen, dass ich in den letzten Jahren mit unendlich vielen präzisen Blicken auf deren Arbeit respektvoll und voll empathisch der Hochachtung verfalle. Das heisst, ich finde alles was ich gesehen habe, wunderbar. Das war in meiner Jugend noch nicht so. Als SP-Gemeinderats-Frischling fiehl mir – ungewollt – die Rolle des Polizisten-Aufpassers zu. In den Achzigerjahren galt halt quasi noch das Faustrecht. Ja, ich bin verrückt ...


Guido Blumer,
21.9.2015, 114. Jahrgang, Nr. 264.

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Standpunkte:

16.10.2015, 14:19 Uhr.

ruth th schrieb:

Und Meinereine wünscht sich BITTE BITTE noch mehr von den Söttigen – Verrückten welche denken & beobachten können. Dazu (früher nannte man das wohl ritterlich) sich nicht scheuen ein Wort in den Mund zu nehmen, oder zu veröffentlichen.


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