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«Wandzeitung» vom 9.2.2015:

SP-Parlamentsmitglieder in SVP-Falle getappt:

Politik oder Willkürgesellschaft.

Der Zürcher Kantonsrat hat es abgelehnt, den Gemeinden die Möglichkeit zu erteilen, die von Laien dominierten Schulpflegen abzuschaffen. Nicht, dass ein positiver Entscheid in absehbarer Zeit etwas geändert hätte, ist es doch sehr unwahrscheinlich, dass die Stimmberechtigten in Winterthur oder Zürich einer solchen Abschaffung zugestimmt hätten. Trotzdem ist der Entscheid, gegen professionellere Strukturen in der Bildung meiner Ansicht nach bedenklich. Speziell bedenklich ist, dass sich auch SP Parlamentsmitglieder dazu hergegeben haben, diese kleine Möglichkeit aus dem neuen Gemeindegesetz zu streichen.

Irgendein berühmter Mensch – der Name ist mir entfallen – hat mal gesagt: «Laienbehörden sind das Biotop der Willkür» – oder auf jeden Fall so ähnlich. Vermutlich hat er sogar vielen engagierten Personen in solchen Behörden Unrecht getan – und trotzdem trifft die Aussage vermutlich ziemlich genau auf den Punkt. Gerne erinnere ich in diesem Zusammenhang an eine einst äusserst erfolgreiche Serie im Schweizer Fernsehen: «DIE DIREKTORIN» hat den Filz in einer Gemeinde zum Thema. Vielleicht etwas überzeichnet, aber sehr nahe an der Wirklichkeit.

Jetzt hat also eine SVP-SP Mehrheit im Zürcher Kantonsrat erreicht, dass die Aufsicht über die Schulen in den Gemeinden zwingend von Laienbehörden wahrgenommen werden muss. Die Schulpflegen dürfen nicht abgeschafft werden. Es ist unglaublich: Wenn ich Zahnschmerzen habe, gehe ich zum Zahnarzt, möglichst einem mit einer staatlichen Abschlussprüfung, die Gewähr bietet, dass er meine Zähne bestmöglich repariert. Wenn ein Autobesitzer ein Problem mit dem Auto hat, dann geht er in eine Garage und lässt das Auto von Fachleuten reparieren. Wenn jemand ein Haus bauen will, sucht er sich besser einen ausgewiesenen Architekten. Aber die Schule, etwas vom Wichtigsten was es nur gibt, die wird von Amateuren so nebenbei – zwar sicher mit grossen Engagement und Aufwand – aber eben auch vielfach ohne viel Fachwissen beaufsichtigt. Dafür garantierten Laienbehörden «die Verankerung im Volk» wie die Gegner der Professionalisierung gebetsmühlenartig anführen.

Allerdings hat der Kampf der SVP gegen Professionalisierung in der Verwaltung wenig mit der «Volksnähe» zu tun. Laienbehörden repräsentieren, wenn’s hoch kommt, einen kleinen Kreis von maximal 25 bis 30 Prozent der Bevölkerung. Nein. Es geht der SVP mit der aktuellen gezielten Kampagne gegen alle Professionalisierungstendenzen, gegen staatliche Verwaltung und alles was damit irgendwie verbunden ist. Und dass sich SP-Parlamentsmitglieder an einer solchen Kampagne beteiligen, ist an sich schwerwiegender als der Entscheid, den sie bewirkt haben.

Der Entscheid des Kantonsrates ist daher von symbolhafter Bedeutung. Er symbolisiert, wie weit und tief es der SVP gelungen ist, nach vierzigjähriger Dauerkampagne ihren Virus in alle Bevölkerungskreise einzuspeisen. Das Doppelspiel wird wenig thematisiert, und wir schlittern unmerklich aber immer deutlicher in die Willkürgesellschaft.


Matthias Erzinger,
9.2.2015, 114. Jahrgang, Nr. 40.

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