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«Wandzeitung» vom 8.3.2015:

Liebesbriefe:

D.

Anfangs konnte sie nichts mit mir anfangen. Ich war mit den Jungs in ihre Nachbarschaft gezogen. Jemand hatte mich schlecht gemacht. Ein Feuer hat dann unsere Herzen entflammt. Es war eine komplett verrückte Woche gewesen. Mein Grosser war bei einem Autounfall glimpflich davon gekommen. Nach 48 Stunden in der Intensivstation konnte ich ihn mit einer Hirnerschütterung nach Hause nehmen. Wir beide schliefen in meinem Zimmer unseren Schock aus. Es war Nachmittag und ich musste mal schnell für kleine Appenzellerchen. Ich hörte es draussen knacken und brausen. Als ich ans Fenster trat, sah ich Rauch in der Luft. Im Garten nebenan brannte es. Einen Moment lang beobachtete ich D und eine andere Nachbarin, wie sie mit Eimern und einem Wasserschlauch dem Ganzen Herr zu werden versuchten. Ich stürzte in die Kleider und rannte raus. Kann ich helfen, habt ihr die Feuerwehr gerufen, schrie ich durch die wütende Brunst. Ich zerrte an meinem eigenen Schlauch, sah aber, wie sich das Feuer den Hang hinunter ausbreitete, es würde uns entgleiten. Kurz danach war alles voller Feuerwehrmänner und wir Frauen standen mit klopfendem Herzen zusammen.

Fortan besuchten wir uns. Auch D war alleinerziehend, unsere Jungs verstanden sich prächtig. Abwechslungsweise bekochten wir einander und entlasteten uns im Alltag. Als unser Haus verkauft wurde, sorgte sie dafür, dass wir ein paar Nummern weiter einziehen konnten; unsere beide Haushalte unter einem Dach. Ich hatte zuerst etwas Zweifel, sie die liebenswerte Chaotin und ich der Pinggel, würde das gut gehen? Es wurde die schönste Nachbarschaft überhaupt! Ergänzend sorgten wir uns um Haus und Garten und verbrachten unvergessliche Stunden. Es hatte einen uralten Pool, den wollte sie unbedingt wieder zum Leben erwecken. Erst widerwillig stimmte ich ein, dann war es unser eigenes kleines Ticinese, mit Palmen rund herum, total wildromantisch. Wir verbrachten viele Abende an unserer Feuerstelle und Nachmittage am Beckenrand tratschend. Die Jungs tollten ums Haus und wurden grösser. Aus zwei Familien wurde eine.

Als auch dieses Haus verkauft worden war und der Besitzer Eigenbedarf anmeldete, ging eine Ära zu Ende. Unsere Wege trennten sich. Aber nicht unsere Herzen! Es gibt keinen Tag, an dem wir nicht aneinander denken und unsere Hausgemeinschaft vermissen. Die Jahre zusammen haben ein Band geschaffen, das sich nicht mehr kappen lässt. Obwohl wir alle in unseren Alltag eingespannt sind, schreiben wir uns ab und an. Ich finde immer wieder einen Grund, um mich bei D zum Mittagessen einzuladen. Wenn wir uns sehen, drücken wir uns ganz fest. Auch unsere Kinder, die nun Erwachsen sind, hängen noch aneinander. Sie haben ihre eigenen Wege miteinander in Kontakt zu bleiben.

Das Leben hat D zu einer Kämpferin gemacht. Sie muss immer wieder mit Entbehrungen ringen und bringt harte Opfer. Ich hoffe für sie, dass sie bald zur Ruhe kommt und das Leben wieder geniessen kann. Sie hat es verdient! Sie hat einen ähnlich schwarzen Humor wie ich und wir können über denselben Mist miteinander lachen. Ich wünsche uns noch viele weitere gemeinsame Stunden.

 

 


Momo Appenzeller,
8.3.2015, 114. Jahrgang, Nr. 67.

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