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«Wandzeitung» vom 10.8.2015:

Kinderfrage:

Der Reproduktionswunsch.

Hier in Indien ist die Kinderfrage keine Frage, sondern eine Pflicht. Wie in vielen anderen asiatischen Ländern entspricht die Zeugung von Nachwuchs nicht nur dem natürlichen Lauf der Dinge, sondern ist auch eine Verpflichtung, die man gegenüber den eigenen Eltern hat. Es habe mit Respekt zu tun, erklärte eine junge Inderin, deren Ehe von den Eltern arrangiert worden war. Man leiste den Wünschen der Familie folge und würdige damit seine Erzeuger. Eine andere junge Frau erzählte, sie wolle keine Kinder, denn in Indien habe es bereits zu viele Menschen und der Platz und die Perspektiven seien begrenzt. Weshalb also noch mehr Menschen auf die Welt stellen? Mit dieser Haltung stehe sie aber alleine da, erzählte sie. Familie und Freunde würden sie nicht verstehen. Wie kann jemand keine Kinder wollen? Das ist doch irgendwie unnatürlich.

Kommt Ihnen das bekannt vor? Mir schon. Auch bei uns wird der Wunsch nach Kindern in der Regel besser verstanden, als die selbst gewählte Kinderlosigkeit. Entscheiden Sie anhand der folgenden Geschichte, ob sie die Kinderfrage neutral oder einseitig beurteilen. Ein Paar ist seit zehn Jahren zusammen. Sie sind beide 34 Jahre alt. Sie will keine Kinder. Er will Kinder. Er sagt, wenn du kein Kind mit mir haben willst, dann verlasse ich dich. Sie sagt, ich will keine Kinder, aber ich will mit dir zusammen sein. Wer ist im Recht? a) Er. – b) Sie. – c) Niemand. – d) Beide.

Denken sie nicht auch, dass es unfair ist von ihr, ihm die Vaterschaft zu verwehren? Oder ist es rücksichtslos, dass er seine Freundin zur Mutterschaft drängt? Warum wollen wir denn eigentlich Kinder? Wahrscheinlich weil alle Kinder haben und weil wir selbst Kinder von jemandem sind. Unsere Gesellschaft besteht ja ausschliesslich aus Kindern und Eltern, die wiederum Kinder sind. So ist es nicht verwunderlich, dass wir dem Ruf der glücksversprechenden Elternschaft folgen. Soweit so verständlich. Doch leider fehlt das Verständnis für diejenigen Menschen, die einen anderen Weg wählen und keine Kinder wollen. Diese werden oft als gefühlskalt wahrgenommen oder als gestört. Überhaupt werden Kinderlose eher bemitleidet. Man vermutet, es habe entweder mit der Beziehung oder mit der Fruchtbarkeit nicht geklappt und verkennt, dass ein kinderloses Leben genauso viel Wert ist, wie ein Leben mit Kindern. Ein junger Vater hat uns am Strand von Goa erklärt, die Familie sei das Wichtigste. Einverstanden. Jedoch sollten Liebe und Respekt nicht alleine der Familie vorbehalten sein. Vielleicht ist es an der Zeit, dass wir den Familienbegriff ausdehnen. Auf die Gefahr hin kitschig zu sein, frage ich Sie: Sollten wir nicht alle eine Familie sein? Oder wie die Yogis zu sagen pflegen: Alle Lebewesen auf der Erde repräsentieren eine grosse, liebende Familie.

 


Anita Blumer,
10.8.2015, 114. Jahrgang, Nr. 222.

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Standpunkte:

11.8.2015, 20:45 Uhr.

Rosmarie Schoop schrieb:

Danke für Deinen Beitrag, Anita! Du sprichst mir aus dem Herzen!


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