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«Wandzeitung» vom 11.6.2015:

Scheinheilige Kritik in der Fussballwelt:

Herzlichen Glückwunsch, Sepp!

Wer den Sumpf trockenlegen will, darf bekanntlich nicht die Frösche fragen. Wenn es um den Fifa-Sumpf geht, sind es jedoch die Frösche, die ganz demokratisch alle vier Jahre den obersten Hüter ihres Sumpfes wählen. Es ist an Naivität kaum zu übertreffen, wenn man nun glaubt, dass diese Frösche doch tatsächlich jemanden wählen könnten, der ihr Feuchtbiotop abschaffen will.

Das «System Fifa» funktioniert denkbar einfach: Weltweit interessieren sich die Menschen für Fussball. Internationale Turniere, die von der Fifa vergeben und vermarktet werden, sind alleine schon aufgrund der Fernseh- und Vermarktungsrechte ein Milliardengeschäft. Sepp Blatter hat – genau wie sein Vorgänger João Havelange – ein System perfektioniert, mit dem die Milliarden der Fernsehstationen und Sponsoren fein säuberlich an die Fifa-Delegierten in den kleineren, meist ärmeren Verbänden zur de facto freien Verfügung verteilt werden. Eine echte Kontrolle, was mit den Geldern passiert, gibt es natürlich nicht. Auf der anderen Seite beweisen die begünstigten Delegierten dem System Fifa ihren Tribut, indem sie den Mann an der Spitze ihre Stimme geben.

Das System Fifa ist durch und durch korrupt. Es ist jedoch bei realistischer Betrachtung auch alternativlos, solange sich nicht grundsätzlich etwas an der Kommerzialisierung des Fussballs ändert. Die UEFA kann und will ganz offensichtlich keine offene Rebellion gegen dieses System tragen, würde sie sich doch dann selbst an den eigenen Massstäben messen müssen. Die Sponsoren tragen dieses System nach besten Kräften und selbst wenn ein oder zwei von ihnen aussteigen sollten, stehen die nächsten schon Schlange. Und der wohlhabende Fussballkonsument in den reichen Staaten, der den Zirkus ja schlussendlich indirekt über seine TV-Gebühren und Konsumausgaben finanziert? Der wird auch weiterhin für Rekordeinschaltquoten sorgen und dem Vermarktungszirkus durch seine Kaufentscheidungen das Geld zukommen lassen, mit dem das System Fifa seine eigenen Zahnräder schmiert.

Was würde denn passieren, wenn öffentlich-rechtliche Fernsehanstalten künftig keine Fussball-Weltmeisterschaften mehr übertragen, weil das System ja so fürchterlich korrupt ist und der Sepp an seinem Thron klebt? Dann würden die Privatsender wohl vor Freude juchzen und die besten Einschaltquoten ihrer Geschichte bekommen. Kennen Sie jemanden, der die WM in Brasilien boykottiert hat, weil die Fifa so korrupt ist? Kennen Sie jemanden, der seine Visa-Karte zurückgegeben hat, weil das Kreditkartenunternehmen Hauptsponsor der Fifa ist? Halten Sie es für möglich, dass Fussballfans die Spiele der Schweizer Nati kollektiv boykottieren, um den SFV zu zwingen, dieses System nicht mehr mitzutragen? Nein? Dann gewöhnen wir uns doch besser dran. So lange wir uns nicht selbst ändern, wird sich das System Fifa auch nicht ändern.

Ist es nicht für alle Beteiligten besser, wenn es einen Blitzableiter wie Sepp Blatter gibt, der den gerechten Zorn der Saubermänner, Naivlinge und Mit-Profiteure am System Profifussball auf sich vereint? Na also! In diesem Sinne: Herzlichen Glückwunsch Sepp!

 


Ludi Fuchs,
11.6.2015, 114. Jahrgang, Nr. 162.

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