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«Wandzeitung» vom 20.6.2015:

Diskussion um das Schweizerische Fernsehen und den Service public:

Eine Ode an die Werbung.

Im Gegensatz zu vielen Bekannten pflege ich persönlich keine Hassliebe zum Bachelor (Oder jetzt auch: die Bachelorette! Dämliche Geschlechterklischees, nun auch auf Männer angewandt! Die bekommen zwar keinen grammatikalisch korrekten Satz hingestammelt, dafür haben sie aber eine nette Föhnfrisur und grinsen mit den gebleachten Zähnchen treu-dümmlich in die Kamera, während sie ein Minor-Stängeli verputzen (Produktplatzierung!). Nein, meine Hassliebe bezieht sich auf etwas noch Niveauloseres. Ich mag Werbung.

Weil sie eine Art psychologisches, soziologisches Abbild der Gesellschaft ist. Auch wenn sie zum Teil so hohl ist, dass sich der Verstand des Zuschauers in die Embryonalstellung zurückversetzt und leise zu wimmern beginnt: Werbung ist Psychologie. Deshalb funktioniert sie. Um Ihnen meine Faszination näher zu bringen, hier ein Beispiel: Es gibt da draussen eine Firma, die sich aufs Banner geschrieben hat, den Menschen permanent mitzuteilen, dass alle ihre Räumlichkeiten stinken. Ihr Auto stinkt. Ihre Wohnung stinkt. Ihre Garage stinkt. Vermutlich stinken sogar Sie, aber für dieses Problem sind andere Produkte zuständig. Weil bei Ihnen alles stinkt, brauchen Sie einen Lufterfrischer. Es könnte ja mal Besuch kommen. Der würde dann denken: «Igitt, hier riecht es, als würde jemand drin leben!» Das wollen Sie nicht. Sie möchten, dass jemand Ihre Wohnung betritt, tief einatmet und denkt: «Mmh, hier riecht es nach künstlichem Duftspray! Da komme ich wieder mal vorbei!» So entstehen Freundschaften.

Wir brauchen also alle einen Lufterfrischer, aber wenn der Besuch den sieht, ist das auch irgendwie peinlich. Ein Eingeständnis sozusagen, dass die Wohnung eben stinkt, und dass man etwas dagegen unternehmen musste. Deswegen dachte sich die Herstellerfirma: «Wir machen einen Lufterfrischer, der so verdammt unauffällig ist, dass ihn niemand als solchen erkennt!» Aber wie?

Eine Vase? Zu auffällig. Ein Kaktus? Zu kompliziert. Die rettende Idee: ein Stein. Ja, ein Stein. Das ist gar nicht so dumm, wie sie jetzt vielleicht denken. Einen Stein kann man in fast jeder Wohnung relativ unauffällig verstecken. Dann riecht es zwar toll nach Zimtzauber & Bratapfel oder nach Magnolie & Kirschblüte, aber niemand weiss, dass sie dafür einen Lufterfrischer brauchen, weil ihn die Herstellerfirma als Stein getarnt hat! Super!

Dazu kam dann folgende Werbung: Eine junge Dame führt ihre Freundinnen durch die Wohnung. Die interessieren sich für die Steinsammlung der Wohnungsbesitzerin. Na, wissen Sie schon, worauf es hinausläuft? Sie wird nach der Herkunft eines bestimmten Steins ihrer Sammlung gefragt. Ihre Reaktion: «De? De isch usem Supermärt!» Sie kichert, schlägt sich das manükierte Händchen vors Mündchen und schaut ihre kichernden Freundinnen an.

Die Moral: Sie dürfen ruhig zugeben, dass der absolut unauffällige graue Plastikklotz mit Pünktchen gar kein echter Stein ist, sondern das Zugeständnis an Ihre stinkende Wohnung. Aber nur, wenn Sie darauf angesprochen werden, also im Notfall. Für mich ist solche Werbung kein Kundenfang, sondern eine komödiantische Gesellschaftskritik. Fast wie der Bachelor selbst.

 

 


Anita Hofer,
20.6.2015, 114. Jahrgang, Nr. 171.

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