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Herausgeber: Guido Blumer & Roger Rutz.
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«Wandzeitung» vom 25.3.2015:

von den errungenschaften der zivilisation:

mutter und kind.

blick aus dem zug aufs perron. junge mutter, bildhübsch, sich über kinderwagen neigend, darin ein strampelkind. reizendes bild. doch was muss ich bemerken: sie schaut gar nicht zu ihm hin, sie blickt auf ihr handy und lässt sich auch von den fingerchen, die nach ihr greifen wollen, nicht stören.

das smartphone ist allgegenwärtig und stets in betrieb. dass die jungen leute mit blick auf das bildschirmchen durch die strassen gehen, mit der halben welt verkabelt, und sich pausenlos zerstreuen lassen, mir kann das egal sein. aber diese mutter, bei ihrem kind derart abwesend und ihm ihre zuwendung entziehend, darf das sein? und sie ist kein einzelfall und nicht etwa selten. immer öfter kann ich im öffentlichen raum beobachten: frauen oder männer mit kinderwagen, welche laufend am telefonieren sind, am news lesen oder was weiss ich. kommunikation in alle himmelsrichtungen und derweil gesprächsverweigerung mit dem eigenen kind. ob und wie weit intelligenz genetisch weitergegeben wird, darüber kann man streiten, aber sicher ist, dass sie von der persönlichen menschlichen zuwendung geweckt und gefördert wird.

da hat uns die meldung gerade noch gefehlt, dass sie in der stadt zürich im sinn haben, die schulen durchgehend und rund um die uhr mit wlan einzurichten. das internet mag ja eine praktische und nützliche einrichtung sein, es ersetzt uns das lexikon und es erschliesst uns das weltwissen. aber wo bleibt die zeit für einen eigenen gedanken? ob die leute auch wissen, dass die news, die auf allen kanälen auf uns einstürmen, selektioniert sind, und zwar vorwiegend nach dem unterhaltungswert? ob ihnen bewusst ist, wie sie in ihren gefühlen und wünschen von den regenten des marktes manipuliert werden?

so wie sich unsere gesellschaft in den letzten sechzig jahren zunehmend vom auto und der autoindustrie hat vereinnahmen und beherrschen lassen, so ist sie in den letzten sechs jahren auch noch vom mobilfunk in beschlag genommen worden. und wie es eine zwar kleine aber wachsende gruppe von zeitgenossen gibt, die sich dem diktat des automobils entziehen, so wird, denke ich, die zahl derer, die sich dem mobilfunk verweigern, immer größer werden. sie werden wieder einen fuss vor den andern setzen, werden die wohltat dieser bewegung erleben und werden dabei ihre gedanken frei schweifen lassen.

zum glück gibt es auch noch den schlaf, der uns diesen errungenschaften der zivilisation zeitweise entzieht.


Alfred Vogel,
25.3.2015, 114. Jahrgang, Nr. 84.

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Standpunkte:

3.12.2015, 11:53 Uhr.

Aline schrieb:

Lieber Alfred,
Kennst du das Lied «Grätli» von Marius & die Jagdkapelle? Zum Thema empfehle ich es dir und allen Lesern.
Liebe Grüsse


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