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«Wandzeitung» vom 30.9.2015:

Wer will Demokratie?

Wählen?

Es ist wieder so weit. Wir sind ein freundlich Volk von PolitikerInnen. Wir präsentieren uns im besten Licht und lächeln adrett von Plakaten, Postkarten und Flyern. Da für eine erfolgreiche Wahl nicht unbedingt die Leistung zählt, darf ruhig auch noch gephotoshopt werden.

Auf diese Weise ist es auch einfach, nur das Beste für die Schweiz zu versprechen. Wir wollen frei bleiben, wir wollen für alle Alles statt für einzelne zu Vieles, wir wollen weniger Bürokratie und Zentralismus – ja liebe WählerInnen wir werden Ihnen alle Wünsche jetzt und sofort erfüllen. Ja, wir sind brillante Köpfe und treffsichere Teams, ohne uns wird es einfach nicht gelingen.

Wir tun alle so, als wüssten wir, was es gerade jetzt braucht. Was andere gegenteilig versprechen ist schlichtweg der Untergang für unser Land. Da spielt es keine Rolle, wenn noch so komplizierte und ineinander verzahnte Themen wie die Realisierung der Energiewende, eine Umstrukturierung der Altersreform oder gar die Überwindung der Auswüchse der Globalisierung und des Kapitalismus anstehen. Wir präsentieren ihnen das Thema ganz einfach, fein portioniert und verkürzt. Da gibt es absolut keine Unsicherheit – es ist einfach so und wenn sie es nicht glauben, dann präsentiere ich Ihnen eine ganzen Ladung von Zahlen, Statistiken und Studien bis Sie nicht mehr wissen, wo Ihnen der Kopf steht.

Doch wer überprüft denn diese vollmundig geäusserten Vorhersagen. In einer Zeit, in der alle Zeitungen ausser «20-Minuten» und «Blick am Abend» schrumpfen, ist zu vieles auf Kurzlebigkeit ausgerichtet – alles verschwindet in der Datenflut des Infotainments. Da ist es nur schon langweilig heute geäusserte Meinungen an den zukünftigen Taten zu messen.

Vielleicht fragen Sie sich daher, warum Sie überhaupt wählen gehen sollen. Die in Bern machen ja doch einfach was Sie wollen. Ich gebe Ihnen zu einem gewissen Grad Recht. Wahlversprechen können sehr kurzlebig sein, man denke zum Beispiel an all die Versprechen vor vier Jahren angesichts der Atomkatastrophe in Japan.

Nicht wählen heisst akzeptieren wie es ist. Es ist fatal, dass mehr als die Hälfte der WählerInnen Ihre Meinung an der Urne nicht kundtun wollen. Das liegt an der Glaubwürdigkeit der Politik. Es ist schon komisch, dass eine Partei, die ständig gegen die Classe-Politique wettert, mit viel Geld alles daran setzt, zu dieser Kaste zu gehören. Wollen die eigentlich nach Bern, um sich selber abzuschaffen?

Ich bin überzeugt von unserer Demokratie, ich möchte sie darum auch nicht abschaffen, sondern eben stärken. Ich wünsche mir mit jeder Wahl einen Schritt zu mehr glaubwürdiger und ehrlicher Auseinandersetzung. Ich wünsche mir mit jedem Schritt eine deutliche Stärkung der konstruktiven und vertieften Auseinandersetzung in Medien und Öffentlichkeit. Ich wünsche mir jeder Stärkung mehr Zuversicht auf verlässliche politische Prozesse … und dazu braucht es uns alle.

 


Christoph Baumann,
30.9.2015, 114. Jahrgang, Nr. 273.

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