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«Wandzeitung» vom 30.11.2015:

«no future»:

Ausgegrenzt und ausgesperrt.

In den 80er-Jahren gehörte es in bestimmten Gruppen zum guten Ton mit einer genieteten Lederjacke herumzulaufen, hinten auf dem Rücken prangte die Aufschrift «no future». Das Outfit war eine Rebellion gegen das Establishment. Vielleicht war es aber auch Solidarität mit den vielen Menschen in England, welche tatsächlich keine Zukunft sehen konnten. Eine eiserne Lady forderte die Maximierung von Unternehmensgewinnen. Freiheit für Firmen, die Menschen auf die Strasse stellten und in die Vorstadtghettos abgeschoben. «Only for the fitest», egal unter welchen ethischen Prämissen.

Was früher eine Rebellion gegen das Establishment war, ist zu einer Verzweiflung gegen die Perspektivlosigkeit geworden. Wir müssen uns dazu nur die Bilder der Aufstände in den Banlieus von Paris, der Riots in England oder der immer wieder aufflammenden Unruhen der Benachteiligten in den USA in Erinnerung rufen. Die Gewalt schockiert, doch der Auslöser ist klar – wir leben in einer Gesellschaftsordnung, die einfach viel zu vielen Menschen keine Perspektiven bietet. Wir leben in einer gesellschaftlichen Unordnung.

Es fehlt an einer gerechten Verteilung von Gütern und Lebensgrundlagen, es fehlt an der Bereitschaft nicht nur alles für sich zu horten, sondern eben fair zum Wohle aller zu teilen. Wir folgen der Triebfeder der Gewinnmaximierung, egal wer oder was alles dabei an den Rändern herunterfällt. Heute ist die Sackgasse deutlich sichtbar, jetzt ist das Problem hier und zwar nicht nur wegen der Menschen, die vor Unterdrückung, Hunger und Tod in ihren Ländern fliehen.

Wir scheinen aber wenig gelernt zu haben, bauen Stacheldrähte gegen das was nicht sein darf. Wir wollen für unseren Wohlstand weiterhin die Ressourcen der anderen Länder abschöpfen. Wir wollen Geschäfte machen, egal mit welchen Schurkenstaaten, egal mit welchen Exportgütern. Meint man allen Ernstes, dass Menschen ohne Zukunftsaussichten mit Abriegelung gestoppt werden können? Keine Schranke kann Verzweiflung zurückhalten.

Das Problem ist nun auch mitten unter uns. Statt Investitionen in Perspektiven, in die Integration wird dem Problem einseitig mit Überwachung und Militärkraft zu Leibe gerückt. Wir müssen uns nicht wundern, wenn das nicht gehen wird, viele Zeichen deuten auf weitere Verschärfungen hin. Ein 7-Euro-Job erlaubt keine Gedanken an eine gesicherte Zukunft. Eine Arbeitskraft zu Dumpinglöhnen oder die mit 55 als Rotationsgewinn wegrationalisiert wird, kann kaum Perspektiven sehen. Jugendliche ohne Chance für einen Berufseinstieg werden sich nicht integrieren können. Sozialhilfebezügern und Rentnern, denen man einfach das wenige Geld wegkürzt, werden nicht selbstbestimmt leben können. Wer will denn heute statt in Polizei schon in Integration investieren? Nur Fantasten und linke Spinner, wir sehen doch alle, dass es gerade jetzt die ganze Härte braucht.

Richi mein Freund von damals ist heute bei der AL. Heute geht es nicht mehr um Rebellion als Protest, sondern handfest um den Streit gegen eine entsolidarisierte Gesellschaft – ich mache mit.


Christoph Baumann,
30.11.2015, 114. Jahrgang, Nr. 334.

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