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«Wandzeitung» vom 28.4.2015:

Witze in der Kirche:

Vom «Osterlachen».

Der lateinische Fachausdruck heisst «risus paschalis», auf Deutsch eben «Osterlachen». So nannte man den Brauch, dass die Prediger am Ostermontag ihre Zuhörerschaft um jeden Preis zum Lachen bringen sollten. Dazu erzählten sie von den sonst ehrwürdigen Kanzeln herab zum Teil derbe und, wenn nötig, auch zotige Witze. In diesem schallenden Gelächter entlud sich die Spannung, die sich durch die strenge Fastenzeit mit ihren willentlichen Entbehrungen, durch die Schwere der vorausgegangenen Karwoche mit der vergegenwärtigten Leidensgeschichte Christi und durch die getragene Feierlichkeit des Osterfestes aufgebaut hatte. Ähnlich wie die ausgelassene bis überbordende Fasnacht in traditionell katholischen Gegenden kräftig «Dampf» abliess, bevor mit dem Aschermittwoch der Ernst der vierzig Tage Passionszeit anfing, so schlug das emotionale Pendel nach Ostern in die andere Richtung der ungehemmten Lust am Lachen.

Vielleicht hat dieses Brauchtum nicht nur den primitiven Hintergrund, dass Menschen immer wieder das allzu menschliche Bedürfnis haben, von Zeit zu Zeit «die Sau herauszulassen». Es könnte sich darin auch das tiefe Getragen-Sein von der Überzeugung spiegeln, dass das Lachen letztlich mehr Recht hat als alle Klage. «Das Gelächter ist der Hoffnung letzte Waffe» untertitelte der amerikanische Theologe Harvey Cox Ende der 60er-Jahren sein Buch «Das Fest der Narren». Und im Bestseller «Der Namen der Rose» beschreibt Umberto Eco das mittelalterliche Ringen um die Frage, ob Jesus denn je gelacht hat. Wenn er es getan hat – und er hat es gewiss getan –, dann ist nicht die selbstquälerische mönchische Zucht, sondern die Freude am Leben der echte Ausdruck von Glauben. Der Religionssoziologe Peter L. Berger überschreibt sein Alterswerk mit «Erlösendes Lachen» und vertritt darin die These, dass nur der Humor – bis hin zum Galgenhumor –, der den Menschen auszeichnet, uns die Zerrissenheit von «krummem Holz» und «aufrechtem Gang» zu Gunsten unserer Würde auflösen lässt. Sei’s, wie es sei – seit ich beruflich auch als Prediger wirke, erzähle ich in der Tradition des Osterlachens immer an Ostern im Gottesdienst einen Witz.

Viele warten besonders darauf. Einige erzählen ihn den kirchenabstinenten Angehörigen weiter. Eine schwerkranke Frau schilderte mir, wie ihr ein Osterwitz von mir, den sie im Gedächtnis behalten hat, nach Jahren noch im Kontakt mit den Ärzten geholfen hat. Der zweitbeste Witz aus der diesjährigen Auswahl sei hier dargeboten (den besten habe ich den Leute in der Kirche vorbehalten; wer ihn verpasst hat: selber schuld!): Ein Brautpaar feiert Hochzeit bei strömendem Regen. Der Bräutigam krempelt beim Aussteigen aus dem Auto kurzerhand die Hosen hoch, nimmt seine Braut auf seine Arme und trägt sie so in die Kirche. Vorn beim Altar angekommen, zischelt der Pfarrer mehrmals dem Bräutigam zu: «Hose runter! Hose runter!» Etwas verunsichert meint die Braut zum Bräutigam: «Vielleicht hätten wir doch besser nach dem alten Ritus geheiratet.»

 

 


Hugo Gehring,
28.4.2015, 114. Jahrgang, Nr. 118.

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Standpunkte:

29.4.2015, 06:13 Uhr.

Marlies Bänziger schrieb:

Was für ein schöner Text, herzlichen Dank! So starte ich noch lieber in den Tag!


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