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«Wandzeitung» vom 30.12.2015:

KOPFSTAND:

Doch, da war etwas sehr Wichtiges.

Irgendwann beginnt die Welt wieder von vorn, und der Moment, in dem man das merkt, ist auch der Moment, in dem sich das Gefühl einschleicht, man habe nun gesehen, was es zu sehen gab. Wie in einer Tonbildschau mit Endlos-Wiederholung in einer Ausstellung.

Frauen merken es an der Mode: «Du, solche Mäntel hat meine Mutter früher getragen! Die sind jetzt wieder modern. Ich muss sie mal fragen, ob sie noch irgendwo einen eingemottet hat.» Junge Männer lassen sich Bärte wachsen, weil es so etwas in ihrer Lebenszeit noch nie gab und deshalb frech und mutig ist. Neue junge Menschen entdecken alte Moden neu und meinen, etwas nie Dagewesenes zu erleben.

Derweil geht Emil wieder mit seinen alten Nummern auf Tournee, «Mein Name ist Eugen» wird ein Musical und der Räuber Hotzenplotz, Heidi und Schellenursli sind auch wieder da. Alles kommt wieder, man muss nur lange genug warten und nichts wegwerfen.

Und das ist in Ordnung so, das Leben ist zyklisch, Wiederverwertung ist modern. Mit etwas Fantasie kann man selber raten, was in unserer nach Neuheiten gierigen Kultur als nächstes zum In-Trend angesagt werden wird. (Man kann sich allerdings auch wundern, wie wenig die vielen jungen Menschen um uns an Eigenem, authentisch Neuem zu Stande bringen und wie sehr sie sich stattdessen aus dem Museum ihrer Eltern und Grosseltern bedienen – getreu der Erziehung, die sie erfahren haben, dass sie nichts tun müssen als Endverbraucher sein, weil der Überfluss schon da ist.)

Und so werden auch die 60er- und 70er-Jahre gefleddert und nach wieder Verwertbarem durchwühlt, und hervor kommen Flower Power, LSD, Batik und eben Bärte. Nur war das leider die Verpackung und nicht der Inhalt. Und das tut weh. Denn dummerweise war ich in jenen Jahren jung und dummerweise hatten wir unerhört anspruchsvolle Ideale, Visionen und Missionen, die nicht weniger zum Ziel hatten als bessere Menschen in einer besseren Gesellschaft. Es war die Zeit nach zwei Weltkriegen (und der Angst vor dem nächsten), die Welt war ein Scherbenhaufen und es gab sehr, sehr viel zu tun. Es galt eine Welt zu retten, eine Menschheit, nicht weniger. Die Intellektuellen schrieben Bücher: über Sein und Haben, friedliche Konfliktlösungen, Kybernetik (die Verbundenheit aller Dinge) und die Künstler lieferten den Soundtrack und das Lebensgefühl dazu.

Und so entstanden immer mehr Projekte: Gleichberechtigung und Gleichbehandlung der Geschlechter, kollektive Planung, Umsetzung und Verantwortung von Unternehmungen, Schutz und Integration der Schwachen. Nie wieder Krieg, Umweltschutz, Nachhaltigkeit.

Für einen kurzen Moment, für ein paar Jahre, lebte eine Generation, welche getragen war vom Idealismus, mit Verantwortung und Kreativität die Erde zu einem besseren Lebensort für mehr Lebewesen machen zu können. Die bereit war, dafür aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen und Experimente einzugehen. Es tut weh, diese Jahre als kulturhistorisch nebensächliche Kurzepoche dargestellt zu bekommen, bunt, aber naiv und weltfremd. Doch, da war etwas sehr Wichtiges. Auch wenn nicht alles auf Anhieb gelang. Etwas zu Wichtiges, um als aufgewärmte Hippie-Klamotte etwas Retrochic zu verbreiten.


Thomas Oeschger,
30.12.2015, 114. Jahrgang, Nr. 364.

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Standpunkte:

2.1.2016, 03:46 Uhr.

Matthias schrieb:

Ja, konkret: Kurzstreckenflüge verbieten. Sind kaum schneller als Zug und verbrennen extrem viel beim start!


1.1.2016, 17:25 Uhr.

Pierre-François Bocion schrieb:

Wenn das Schweizer Volk am 28. Februar 2016 den Bau des 4. Gotthardtunnels ablehnt und die in der Verfassung stehende «Alpenkonvention» einhält, dann geschieht etwas positives, wesentliches für den Umweltschutz und die Nachhaltigkeit in Europa.


31.12.2015, 17:15 Uhr.

Matthias schrieb:

ich kann mich gut erinnern als klar wurde, dass der wald wegen den abgasen stirbt. viele freunde haben sofort ihr auto verkauft. andere haben wenigstens den arbeitsweg auf die schienen verlegt. einige zogen es bis heute durch, aber die meisten kauften wieder ein auto (auf den katalysator vertrauend?). heute gibts viel mehr gründe gegen das auto und sie wirken viel weniger.
wenigstens darf man jetzt an atomkraftwerken zweifeln, damals musste ich noch hören dass man mich deswegen an die wand stellen sollte.


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