Logo Wandzeitung
Herausgeber: Guido Blumer & Roger Rutz.
Archiv:   Blog:   Echo:   Home:   Kontakt:   Leitbild:   Partner:   Sponsoren:   Twitter

«Wandzeitung» vom 2.5.2016:

Aus meinem Adventskalender:

Socke und Söckli.

Sie waren ein Paar gekringelte Kinderstrümpfe, die bis zu den Knien reichten. Dort, wo die grossen Zehen sind, waren sie schon etwas dünn. Aber noch dicht genug, dass es Ma nicht aufgefallen war, als sie die Zwei in den Wäschekorb legte. Sie waren natürlich Brüder; Socke, der erstgestrickte Linke, Söckli, der nach ihm gefertigte Rechte. Twins, aber einer hatte einen Streifen mehr. Neu dienten sie sogar als Weihnachtsdeko und wurden mit Bonbons und Nüssen gefüllt aufgehängt. Sie waren unzertrennlich. Wenn sie zu lange in Turnschuhen steckten, machte Ma danach immer ein Geschrei und sie wurden sogleich in die Wäsche gestopft.

So auch an diesem Tag. Alles begann lustig. Sie hatten sich mit Pyji, dem Schlafanzug, Undi, dem Slip, Traini, dem Jogginganzug und Hösi, der Jeans in der Maschine getroffen. Alle liebten das Bad im Schaum. Es rauschte so schön beim Spülen und es roch so frisch, als der Veredler dazu kam. Cool war, wenn sie geschleudert wurden, wie auf der Achterbahn, nur schneller. Ihr Gesicht, zur Fratze verzerrt, so ging es rund. Als die Drehzahl ihren Höhepunkt erreicht hatte, nahm die Geschwindigkeit langsam ab. Sie wurden langsamer und am Ende hin und her geschwenkt, damit sie locker wurden. In der Trommel schnatterten sie. «Na, Undi, bist du nun wieder porentief rein?», alberte Pyji, die noch einen Flecken hatte. Hösi klagte: «Ich hoffe, dass ich nicht wieder ausgelaufen bin. Ich bin doch auf Diät.» Traini gröhlte: «Mir ist Sturm wie nach dem Turnen.» Socke und Söckli balgten, bis es bei Socke einen Riss gab an der dünnen Stelle. Oje, wenn das nur Ma nicht sah. Die hatte nichts gecheckt, da das Abflussrohr so laut gurgelte.

Eilig trennte sie die Teile, die sie an die Leine hängen von denen, die sie im Tumbler trocknen wollte. Söckli wurde mit den anderen rausgetragen und als Erster aufgehängt. Er tropfte und freute sich, dass Socke gleich neben ihn gehängt würde und er ihn ärgern könnte, dass er diesmal der Erste gewesen sei. Doch nachdem Ma Hösi und Undi aufgehängt hatte, lief sie mit dem leeren Korb zurück ins Haus. War Socke am Ende liegen geblieben und wurde nun nochmals gewaschen? Söckli hoffte es, denn wenn Socke aus Versehen in den Tumbler geworfen worden war ... Alle am Stewi machten sich Sorgen und trockneten rasch im Wind. Sie hofften, so rasch als möglich wieder reinzukommen. Doch Ma war ausser Haus und liess sie hängen. Keine Spur von Socke.

Abends wurden sie in den Wäschekorb geworfen. Der war leer gewesen. Sie wurden in die Wohnung gebracht und zusammengelegt. Also Hösi und Undi. Ma murmelte etwas, als sie Söckli alleine aus dem Korb hob. Dann wühlte sie im anderen Korb, in dem die Tumblerwäsche wild durcheinander lag. Und siehe da, sie fasste eine traurige Socke und sah sie sich an. Oje, ein Riss im Zeh. Socke weinte bittere Tränen und rief: «Mir war so heiss, ich fürchte, ich bin eingelaufen. Söckli, ich glaube wir passen nicht mehr zusammen.» Doch die Tränen taten dem Strumpf wohl, Ma konnte ihn ein bisschen auseinander dehnen und die Zwei waren wieder gleich lang. Ma holte dann Nadel und Faden und flickte sie beide: Man muss ja nicht alles gleich fortwerfen!

 


Momo Appenzeller,
2.5.2016, 115. Jahrgang, Nr. 123.

Artikel als PDF downloaden

Zu diesem Artikel wurde noch kein Standpunkt abgegeben.

 

Veröffentlichen Sie als erste Person Ihren

Standpunkt*:

Name:

*Wir freuen uns sehr über Ihre Gedanken zum Text des Tages, bitten Sie jedoch, keine Personen zu verunglimpfen und deren Haltung mit Respekt zu begegnen. Danke schön. Verstösse gegen unser Leitbild werden indes nicht verbreitet.

 

Winterthurs kleinste Zeitung der Schweiz.