Logo Wandzeitung
Herausgeber: Guido Blumer & Roger Rutz.
Archiv:   Blog:   Echo:   Home:   Kontakt:   Leitbild:   Partner:   Sponsoren:   Twitter

«Wandzeitung» vom 2.11.2016:

Alltägliches:

Unglaubliches.

Mein Film läuft wohl dauerfalsch. Immer wenn ich denke, es kann nicht mehr dicker kommen, kommt es soweit. In einem Schreiben vom kesb heisst es, dass ich als Beiständin meines behinderten Sohnes eine Entschädigung zu Gute habe. Schön einerseits, aber nun kommt der Haken: Wenn das Vermögen meines Sohnes 10 000 Franken übersteigt, kann ich das von ihm beziehen! Wie bitte? Eigentlich bewahren wir Eltern mit unserer «Arbeit» den Staat vor weiteren Konflikten und Problemen. Wenn schon sollte eine kleine Geste von dort her kommen, oder? Behinderte Menschen leben eh schon am Existenzminimum und müssen, wenn sie aus dem Elternhaus ausziehen mit Ergänzungsleistungen hantieren. Mein Sohn hat nach dem Schnuppern vom externen Wohnen beschlossen, dass dieser Schritt noch zu früh für ihn wäre. So denn, er ist bei uns willkommen, auch wenn das Zusammenleben oft nicht so einfach ist.

Bei meiner Arbeitssuche sind also zwei Bewerbungen auf dem Postweg verschollen, irgendwo untergegangen und im Nirvana gelandet. Verärgerte potentielle Arbeitgeber haben mir geschrieben, dass das von mir angeschriebene Jobangebot gar nicht existiere! Wie mir ein Insider dann erklärte, gibt es tatsächlich Jobsuchmaschinen, die bei Firmen willkürlich Stellenangebote kopieren, sammeln und dann an uns Suchende weitergeben. Da wird dann aus einem Standort in Bern plötzlich Wil. Und auf dem Platz Wil suche ich ja ... Da steh ich da, als Volldepp und muss mich zwischen RAV und angepeilter Firma erklären! Jeden Monat lerne ich etwas dazu. Auch dass man auf Online-Inserate mit denselben Worten antworten soll, sonst ist man sofort durch den Raster.

Weil ja nur ein Drittel aller offenen Stellen ausgeschrieben ist, muss man auch kreative Wege gehen. Ein toller Lebenslauf, knackig auf den Punkt gebracht, ist natürlich die Basis. Aber vorsprechen Vorort ist auch immer wieder gerne gesehen. Wer besser schwatzt als schreibt, kann den Gegenüber in einem persönlichen Gespräch von sich überzeugen. Mit Feingefühl auf die Bedürfnisse vom Vis-à-vis reagieren ist eine Kunst.

Machen wir uns nichts vor. Es werden vor allem Fachleute mit Spezialgebiet, mit möglichst linearer Karriere gesucht. Wir anderen sind auf unstetige Stundenlohnjobs angewiesen. Erst wenn wir die Firma bei der Arbeit von unserer Leistung überzeugen können, gibt es VIELLEICHT eine Beförderung mit besserem Vertrag. Es heisst also schlucken, einen Schritt zurück machen und schön bescheiden bleiben.

Wenn man tagsüber mit den Sorgen kämpft, träumt man nachts auch oft davon. Diesmal wurde ich, Kinderwagen schiebend, von einem Auto verfolgt. Was das bedeutet, kann sich jeder selber überlegen. Danach stank es noch mehr zum Himmel: Bei einem Toilettengang fing dieselbe an sich selber zu reinigen! Erst spritzte sie in hohem Bogen Chemie aus dem Loch, danach wurde ich mit Wasser gespült. Zum Schluss kam dann Heissluft zum Trocknen. Leider war es mir nicht möglich zu fliehen, da wurde das Prozedere nochmals wiederholt. So steh ich manchmal im Leben wie im Traum einfach nur verdattert da und freue mich über den kleinsten Sonnenstrahl.

 

 


Momo Appenzeller,
2.11.2016, 115. Jahrgang, Nr. 307.

Artikel als PDF downloaden

Zu diesem Artikel wurde noch kein Standpunkt abgegeben.

 

Veröffentlichen Sie als erste Person Ihren

Standpunkt*:

Name:

*Wir freuen uns sehr über Ihre Gedanken zum Text des Tages, bitten Sie jedoch, keine Personen zu verunglimpfen und deren Haltung mit Respekt zu begegnen. Danke schön. Verstösse gegen unser Leitbild werden indes nicht verbreitet.

 

Winterthurs kleinste Zeitung der Schweiz.