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«Wandzeitung» vom 5.5.2016:

Lehrplan 21 stört das Leben:

Pestalozzis Hände fehlen.

Nein, zurück in Pestalozzis Zeiten wollen wir nicht. Wir wollen auch nicht von einer Ballenbergisierung reden. Unseren Schulen fehlen schlicht die Hände. Unsere Hände sind so wichtig wie der Atem. Kaum verlassen wir Mamas Bauch, atmen wir die Luft unseres Planeten ein. Bevor wir die Erde wieder verlassen, atmen wir ihre Lebenskraft aus dem Körper. Was haben wir in der Zwischenzeit getan?

Ohne unsere Hände könnten wir nicht fühlen. Uns fehlte das Gefühl für das, was wir denken. Das mag erkenntnistheoretisch als Stumpfsinn gelten. Aber von welcher Erkenntnistheorie sprechen wir? Ich spreche von reiner Naturphilosophie. Ohne Hände könnten wir nicht fühlen, was wir tun, wie wir uns verhalten und was wir mit unseren Gedanken bewirken. Einer Schule, die immer mentaler wird, geht das Denken ab. Klar ist es wichtig, sich im Informationszeitalter zurecht zu finden. Der Umgang mit der Informatik soll auch gelehrt sein. Wenn aber dem Denken das Gefühl abgeht, hauen wir in die Tasten bevor wir merken, was wir schreiben.

Über Nacht kann auch in unserer Stadt der Mob über Facebook mobilisiert werden. So geschehen von unserem höchsten Winterthurer Gemeinderat. Seine eigene Partei klapperte tüchtig mit, und auch die Medien «Landbote» und TeleTop hielten keine Grenzen mehr ein. Die Energiewende mag unsere Geister strapazieren. Aber deswegen einen Mob gegen ein Stadtratsmitglied zu mobilisieren, ist schlichtweg gefühllos. Unkontrollierte Emotionen haben nichts mit Gefühl zu tun. Wer Gefühl hat, kann auch nicht schlagen. Unsere Schulen sind längst mental überzogen. Das zeigt sich nicht nur in der Politik. Auch die Wirtschaft ist von diesem Virus befallen. Wie viele Entscheidungen werden gefällt, die nicht argumentiert werden können? Der Ansatz «ich denke, also bin ich», hat unsere Schule reformiert. Sehr weit sind wir damit nicht gekommen. Auch Fachidioten brauchen Gefühle, wollen sie erfolgreich sein.

Der neue Lehrplan, wie er vorliegt, streitet über Details. Etwas mehr da, etwas weniger dort. Es ist irrig zu glauben, dass mit diesen Pflästerli die Zeichen der Zeit erkannt und den Schülern die Zukunft geebnet würden. Halten wir mit der Zeit, so spüren wir, dass Entscheidungen wie diejenigen der Schulreform 21 weiterhin am wahren Leben vorbeisegeln und unsere Gesellschaft abheben lässt. Uns fehlen die Hände, um wirklich Politik zu betreiben. Es fehlen die Hände, um die Wirtschaft in der Schweiz zu verankern. Fragen wir doch einfach mal nach: Was ist in einem Satz der Anker, den die Schweiz als Bildungs- und Wirtschaftsland ausmacht? Was ist die Originalität von Swissness? Kühe sind es nicht mehr; die Alpen sind es nicht. Den Fachhochschulen fehlt der Geist. Die Banken sind es nicht, auch nicht die Industrie. Was ist es denn?


Heiner Dübi,
5.5.2016, 115. Jahrgang, Nr. 126.

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