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«Wandzeitung» vom 11.5.2016:

«Hilfspakete» für Griechenland:

Wirklichkeit auf den Kopf gestellt.

Drei aktuelle Meldungen aus Griechenland kommen einem bekannt vor. Athen solle demnächst «eine weitere Tranche aus dem gegenwärtig laufenden Kreditprogramm erhalten.» Es gebe sodann im Land einen «Rückstand bei der Umsetzung der vereinbarten Reformmassnahmen.» Und: «Tausende Beamte» würden nach Athen entsandt, «um Teile der griechischen Verwaltung zu reformieren.» Schaut man sich diese Meldungen genauer an, so stellt man fest: Mit ihnen wird gesellschaftliche Realität verborgen, teilweise geht es um das Gegenteil des Berichteten.

Zur zuletzt zitierten Nachricht: Nächstens werden fast 3000 Beamte aus EU-Ländern nach Griechenland entsandt. Dabei wird es vor allem um die Umsetzung des kürzlich beschlossenen Menschenhandels gehen. Fatal: Da verlassen bewährte Helfer des UNHCR und Ärzte ohne Grenzen die Inseln aus Protest gegen diesen zynischen Deal mit Erdogan. Stattdessen werden Beamte eingeflogen, die den Griechen die Verwaltung erklären sollen.

Was in den Medien als «Rückstau bei den Reformanstrengungen» bezeichnet wird, meint in Wirklichkeit den anhaltenden Widerstand der überwältigenden Mehrheit der griechischen Bevölkerung gegen weitere Rentenkürzungen. Tatsächlich gab es in Griechenland zwischen 2010 und 2015 bereits 13 Kürzungen der Altersversorgung. Das Niveau der Renten wurde um bis zu 40 Prozent gesenkt!

Völlig neu ist beim Thema «Reformprogramm»: Die Gläubiger verlangen von Hellas inzwischen die Verabschiedung eines «Reserve-Sparprogramms» mit einem Kürzungsvolumen in Höhe von 3,5 Milliarden Euro. Dieses Programm soll dann automatisch in Kraft treten, wenn andere Sparmassnahmen nicht ganz oder nicht rechtzeitig umgesetzt werden. Die Demokratie ist in Griechenland seit der Etablierung der Troika ausgehebelt und wird bereits «auf Vorrat» ausser Kraft gesetzt.

Die Meldung schliesslich, Griechenland solle demnächst neue Kreditmilliarden erhalten, stellt die Wirklichkeit komplett auf den Kopf. Allein im vergangenen Jahr zahlte Athen 26 Milliarden Euro an die Gläubiger, während rund 12 Milliarden Euro an neuen Geldern flossen. Wobei von diesen «neuen Gelder» 5 Milliarden Euro der Rekapitalisierung der griechischen Banken dienten; der Rest floss zurück an die Gläubiger. Die aktuell zur Debatte stehende «neue Tranche» dient ausschliesslich der Absicherung einer im Juli fälligen Rate von 2,7 Milliarden Euro, die erneut an die Gläubiger fliessen soll. In Griechenland findet nunmehr seit Jahren ein systematischer Wertetransfer aus dem Land und hin zum internationalen Finanzsektor statt.

Wir leben im siebten Jahr der Griechenlandkrise. Jahr für Jahr wird dabei belegt, dass ein «Sparen» in Zeiten einer Wirtschaftskrise eben diese verschärft, die Verschuldung erhöht und die soziale Misere vergrössert. Dennoch halten die Gläubiger am Kaputtsparen fest. Schliesslich profitiert der Finanzsektor von dem kontinuierlichen Wertetransfer. Die Öffentlichkeit kann bislang immer wieder mit den scheinbar gleichen Meldungen getäuscht werden, hinter denen sich jedoch eine ziemlich andere gesellschaftliche Realität verbirgt.

 


Ludi Fuchs,
11.5.2016, 115. Jahrgang, Nr. 132.

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