Logo Wandzeitung
Herausgeber: Guido Blumer & Roger Rutz.
Archiv:   Blog:   Echo:   Home:   Kontakt:   Leitbild:   Partner:   Sponsoren:   Twitter

«Wandzeitung» vom 12.2.2016:

Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir, sagt man:

Worum geht es eigentlich?

Es geht ums Mensch-Sein. Es geht darum zu begreifen, was dies bedeutet. Mitgefühl, Solidarität, Liebe. Wer weiss, was dies ist, weiss auch, wie sich das Gegenteil anfühlt. Und er-sie weiss, dass man die Wahl hat. Irgendwann entscheidet man sich, was für ein Mensch man sein möchte. Solange wir leben, ist Zeit für eine Richtungsänderung. Es geht darum zu verhindern, dass man schlafend durchs Leben geht. Und es wäre gut, wenn irgendwann eine Instanz – sie kann sich wegen mir auch Schule nennen – Kinder und junge Erwachsene auf ihrem Weg begleiten würde. Was heisst es, Mensch zu sein? Was für eine Wahl habe ich? Wie möchte ich sein? Was habe ich für eine Vision für den Planeten Erde? Was möchte ich lernen? Was möchte ich unbedingt machen und erreichen? Was ist der Tod? Was versteht man unter Reinkarnation? Vielleicht wäre dann irgendwann Frieden möglich auf diesem Planeten.

Mein Vater ist nicht mehr da und vor wenigen Tagen wurden sein Buffet und sein Doppelschrank von Mitarbeitenden eines Winterthurer Brockenhauses zerhackt. Schrank und Buffet waren massiv und gut erhalten, aber leider entsprachen sie nicht mehr dem zeitgenössischen Geschmack. Es tut weh. Ich sehe meinen Vater, der den Kopf schüttelt. Von den bereitgestellten Möbeln – Sofa, Salontisch, Schrank, zwei Betten, zwei Kommoden –, sei nichts mehr verkaufbar. Ich bin froh, dass ich drei kleinere Möbel auf den Dachboden gerettet habe. Auch den Fernseher, der keinen Flachbildschirm hat, habe ich nicht freigegeben. Zum Glück. Die Möbel, die meine Eltern und dann meinen Vater sein halbes Leben begleitet und gute Dienste erwiesen haben – nichts wert. Das Haus: Die einen schütteln den Kopf – es wäre viel zu tun! – Die anderen: Du hast so ein Glück, da lässt sich viel machen.

Man sagt, Kinder bis zu sieben Jahren sähen Verstorbene. Jemand hat mir gesagt, dass meine einjährige Nichte Mar Helena meinen Vater sieht und ihn als Grossvater angenommen hat. Wie schön. Ich habe auch eine Freundin so alt wie ich, die Verstorbene sieht. Auch meinen Vater. Ich spüre ihn irgendwie, bei meiner Mutter war dies nicht so der Fall, aber wir hatten auch eine andere, nicht so reife Beziehung. Jemand hat mir gesagt, dass mein Vater mir mitteilt, er sei immer um mich und er werde es auch immer sein. Dieser Freund, der mit Verstorbenen kommunizieren kann, erläuterte mir: «Dein Vater sagt, es sei keine vulkanische Insel.» Mein Freund schaute mich fragend an. Ich wusste sofort Bescheid und lachte. Einige Tage zuvor hatte mich meine katalanische Freundin Iolanda gefragt, ob Chiloé eine vulkanische Insel sei. Geographische Fragen richtete ich an meinen Vater, er wusste diesbezüglich stets Bescheid.

Nun sehe ich mich bestätigt. Ich habe nicht nur den Eindruck, der Geist meines Vaters sei in der Nähe, es ist auch so. Ich werde weiterhin mit ihm kommunizieren, ihm Sachen erzählen und erklären.

Wie einfacher und schön wäre es doch, wenn der Tod Teil unserer Kultur wäre, wenn wir mit dem Bewusstsein aufwachsen würden, dass da noch mehr ist und dass es auf dem Weg dorthin gilt, ganz Mensch zu werden.


Rosmarie Schoop,
12.2.2016, 115. Jahrgang, Nr. 43.

Artikel als PDF downloaden

Zu diesem Artikel wurde noch kein Standpunkt abgegeben.

 

Veröffentlichen Sie als erste Person Ihren

Standpunkt*:

Name:

*Wir freuen uns sehr über Ihre Gedanken zum Text des Tages, bitten Sie jedoch, keine Personen zu verunglimpfen und deren Haltung mit Respekt zu begegnen. Danke schön. Verstösse gegen unser Leitbild werden indes nicht verbreitet.

 

Winterthurs kleinste Zeitung der Schweiz.