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«Wandzeitung» vom 19.1.2017:

Mit was denn sonst?

Mit oder ohne?

Ich weiss nicht, was Ihnen zuerst einfällt: Mit oder ohne Filter? Mit oder ohne Zucker? Mit oder ohne Konservierungsstoffe? Mit oder ohne Gummi? Einer meiner Schüler hat meine Notiz gesehen und sich sofort auf «Mit oder ohne Gummi» gestürzt und laut gelacht: natürlich lieber ohne. Ich habe ihm entgegnet, dass er bestimmt an Sushi gedacht habe ... weiteres Gelächter. Aber mit oder ohne kann eine entscheidende Frage sein: Bei vielen Jobs kann man sich fragen: mit oder ohne Spass, oder härter: mit oder ohne Sinn?

Das mit dem Gummi ist mir in Konstanz aufgegangen (es könnte bestimmt auch anderswo vorkommen): zwei dunkel gewandete Männer rühren und rollen Klebreis, rohen Fisch und andere Zutaten gemütlich auf einem Brettchen und legen das Resultat in ein Schälchen. Freihändig. Ohne Gummi, ist ja auch einfacher. Wann und wo und wie oft sich die Hauptakteure in einem eleganten Konstanzer Sushirestaurant die Hände waschen, bleibt offen – es scheint, dass sie nicht viel Zeit dazu haben ... Beim Bellevue-Globus in Zürich hatte ich mal gesehen, dass die Sushi-Männer schwarze Gummihandschuhe trugen, was nicht nur gut aussieht, sondern auch gut für die Hygiene ist. Und eigentlich zum Standard gehören sollte.

Was für Sushi-Köche recht ist, sollte auch für Chirurgen gut und billig sein. Das dachte ich, bis ich einmal mit einer schlecht heilenden Wunde am Bauch im Spital lag. Da kam der Oberarzt gegen Abend, um nach der leicht faulig riechenden Wunde zu schauen. Verband weg und rein ins Vergnügen: rasch und ohne Handschuhe. Jedermann weiss es: da gehört absolute Hygiene hin, und mindestens Gummihandschuhe. Aber es wurde munter in der Wunde herumgenodert mit dem Ergebnis, dass man die Sache nochmals beschneiden müsse. Ich war gar nicht in der Lage, entsetzt zu sein, nur bass überrascht. Als ich einige Monate später unverfault und geheilt beim Chirurgen in der Ordination sass, habe ich ihn auf die fehlenden Handschuhe angesprochen: Reaktion: «Psst, nicht weitererzählen».

Gut, wir wissen, was Spitalkeime anrichten können und mögen auch mit wenig Fantasie nachvollziehen, dass das ewige Händewaschen und Handschuhe an- und abstreifen Zeit braucht, die auch das Pflegepersonal nicht immer hat.

Der Bund macht ja sogar Reklame für den Gummi: Auf vielen Plakatserien sehen wir zwar keinen Gummi, immerhin aber die Verpackung des Gummis. Die Aidsprävention möchte uns allen nahebringen, es MIT Gummi zu machen, was manche lächerlich finden mögen, aber doch viel Ungemach verhindern kann.

Japaner und Dänen habe diese Probleme weniger: 30% der Japaner zwischen 16 und 30 Jahren haben nämlich noch keinen Sex gehabt und waren nicht vor die Frage gestellt «Mit oder ohne Gummi».

Also klar: Beim Sex können wir nicht genau hinschauen, ob der Gummi dran ist, aber beim Sushi können wir. Und ich tue es für mich auch. Denn ich habe keine Lust, mir irgendetwas Schmutziges einzufangen, nur weil die Köche sich nicht an Regeln halten. Wie Sie es beim Spital halten mögen, sei Ihnen überlassen. Meist merken Sie erst später, ob es mit oder ohne Gummi war ... En Guete bim nächschte Sushi – oder bim nächschte Blinddarm!


Andre Bernhard,
19.1.2017, 116. Jahrgang, Nr. 19.

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