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«Wandzeitung» vom 8.6.2017:

was schlagzeilen macht:

zur zeit in london.

einige tage auf besuch in london. was fällt auf, was ist anders? nicht dass jetzt hier eine aussage zur englischen seele gemacht werden soll. nur um zufälligkeiten, die wir beobachten, kann es sich handeln; wie es auch zufälligkeiten waren, die mich als kleines kind beeindruckten, als ein eben aus england heimgekehrter (damals war eine reise in dieses fremde land noch aussergewöhnlich) zu erzählen wusste: bei seinen gastgebern habe der ehemann (!) den kaffee zubereitet.

was also fällt mir auf in diesen tagen? die zeitung ist voll vom attentat in manchester. auch bei uns wurde davon berichtet. aber hier in london ist das thema in allen sparten omnipräsent. offenbar sind die menschen hier zutiefst verunsichert: was im irak, in israel, in somalia ständig geschieht, ist auch in england nicht zu verhindern. der ‘guardian’ bringt die fotos von allen getöteten. im leitartikel wird die premierministerin zitiert. sie führt einen massiven angriff auf jeremy corbyn, den labour-führer, weil dieser in einem interview gesagt haben soll, die englische aussenpolitik habe den anschlag selber zu verantworten, und habe damit die grässlichkeit der tat herabgemindert. doch corbyn hat, nachdem er das attentat dezidiert verurteilt hat, nur zu bedenken gegeben, es müsse die frage erlaubt sein, was für auswirkungen der ‘krieg gegen den terror’ auch noch haben könnte. die parteien haben zwar nach diesen ereignissen vereinbart, den wahlkampf eine zeitlang auszusetzen. nun ist er genau an diesem thema neu entflammt. hilft es, gegen den terror die mittel des kriegs zu verstärken, oder bewirkt ihr einsatz das gegenteil?

wenn die zwanzigjährige nicole von einem raser, der aufs trottoir geraten ist, zu tode gefahren wird, ist es für ihre eltern nicht weniger tragisch, als wenn sie zusammen mit 22 andern einem selbstmordattentat zum opfer gefallen wäre. die zahl der getöteten macht die schwere des ereignisses nicht aus. tote können nicht quantifiziert werden. es ist auch ebenso tragisch, wenn ein opfer im irak beklagt wird, wie wenn es in seuzach geschieht.

ereignisse dieser art erreichen nämlich beachtung in den medien in der folgenden priorität: a) es ist in unserer nähe geschehen. b) es hat viele tote gegeben, insbesondere schweizer. c) es passt gerade gut in die übrige nachrichtenlage.

wenn wir zurück sind in der schweiz, wird die bombe von manchester aus unseren nachrichten verschwunden sein. der hunger in afrika, dem zehntausende zum opfer fallen, wird es kaum in die medien schaffen. wir aber werden mit einem neuen vordringlichen thema bedient sein, das scheinbar das wichtigste vom tage bedeutet; oder wie florian inhauser richtig sagt: “das an diesem tag schlagzeilen macht”.

 


Alfred Vogel,
8.6.2017, 116. Jahrgang, Nr. 159.

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