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«Wandzeitung» vom 12.8.2017:

Sie ist relativ, Physik und Philosophie interessieren sich für sie:

Gedanken über die Zeit.

Über Zeit wird immer wieder geschrieben, weil sie uns Menschen beschäftigt, immer begleitet. Wir reden von Lebenszeit, Arbeitszeit, Freizeit. Wenn wir uns an unsere Kindheit und Jugend erinnern, scheint uns die Zeit damals langsamer vergangen zu sein als die darauf folgenden Jahre. Wir erklären dies damit, dass wir damals alles zum ersten Mal erlebten: Den ersten Chindsgi-Tag, den ersten Schultag, et cetera. Ich erinnere mich an wenige «erste Male», ich weiss überhaupt vieles nicht mehr. Aber ich erlebte die Zeit intensiv, irgendwie war alles im Fluss, ich fühlte mich nie von der Zeit gehetzt, sondern in ihr eingebettet.

Letzthin habe ich gelesen, dass wir diese intensiven Gefühle von damals auch im Erwachsenenalter hervorrufen und die Zeit ausdehnen können. Indem wir immer wieder Neues erleben, zum Beispiel in den Ferien neue Orte entdecken, ein neues Hobby anfangen oder auch nur ein Buch lesen, empfinden wir mehr Intensität, als wenn wir immer in derselben Routine stecken. Betrachten wir die Zeit als etwas, das uns im Nacken liegt, fühlen wir uns logischerweise gestresst und die Jahre rattern nur so an uns vorbei beziehungsweise wir empfinden dies so. Man sagt, ab zirka dem 60. Lebensjahr hätten wir das Gefühl, mit der Zeit im Gleichschritt zu gehen. Menschen ab zirka 85 haben wieder ein anderes Zeitgefühl: Viele vergessen, was für ein Tag es ist, haben keine fixe Essenszeiten mehr, nehmen erst etwas zu sich, wenn sie hungrig sind. Morgentoilette und Ankleiden werden im hohen Alter zu wiederkehrenden Projekten, die ihre Zeit brauchen. Ich kenne ein älteres Paar, das alleine wohnt, er ist 90, sie 87 Jahre alt. Gegen 12 Uhr frühstücken die beiden und beginnen dann mit dem Gemüse-rüsten und dem Kochen. Gegessen wird um 17, 18 oder 19 Uhr. Die Zeit ist für sie irrelevant geworden, sie sind quasi zeitlos. Man sagt, dass auch Meditations-Erfahrene diese Zeitlosigkeit erfahren.

Zeit hat für mich etwas mit Schicksal, aber auch mit dem eigenen Willen zu tun. Wir können uns treiben und von der Zeit dominieren lassen, aber wir können sie auch bewusst intensiver empfinden, sie eben dehnen, indem wir unseren Alltag immer wieder durchbrechen. Man sagt, dass unser Schicksal in unseren Handlinien abgebildet ist. Man sagt aber auch, dass sich diese Linien im Laufe unseres Lebens verändern können, wenn wir bewusst etwas verändern.

Gedanken über die Zeit führen früher oder später zu Albert Einsteins Relativitätstheorie, zur Möglichkeit von Parallel-Universen und Zeitreisen, zu Fragen, auf die Physik und Philosophie interessante Antworten beziehungsweise Hypothesen bieten. Obwohl wir alle etwas anderes zur Zeit zu sagen haben, können wir wohl alle etwas mit folgendem Zitat anfangen: «Jemand hat mir mal gesagt, die Zeit würde uns wie ein Raubtier ein Leben lang verfolgen. Ich möchte viel lieber glauben, dass die Zeit unsere Gefährtin ist, die uns auf unserer Reise begleitet und uns daran erinnert, jeden Moment zu geniessen, denn er wird nicht wiederkommen.»


Rosmarie Schoop,
12.8.2017, 116. Jahrgang, Nr. 224.

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