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«Wandzeitung» vom 12.12.2017:

Stille Nacht! Heilige Nacht! Alles schläft:

Die Tentakel des Kapitalismus.

Im kommunistischen Manifest hielten Karl Marx und Friedrich Engels folgenden Satz fest: «Ein Gespenst geht um in Europa – das Gespenst des Kommunismus». Aber ist nicht eher der Kapitalismus ein Gespenst? Denn Menschen, die zu seinen Opfern werden, erleiden Furcht und Schrecken und nicht selten den Tod. Kapitalismus funktioniert nur, wenn die einen ausgebeutet werden und die anderen konsumieren. Heute weiss man, dass sowohl günstig zu erstehende als auch teure Marken-Kleider unter miserablen Arbeitsbedingungen in sogenannten Dritt-Welt-Ländern produziert werden. Es ist auch bekannt, dass die Menschen, die unsere Textilien herstellen, unterbezahlt sind. Ihre Leben scheinen weniger wert zu sein als unsere. Dokumentarfilme zeigen Frauen und Männer, die barfuss in einem See aus gesundheitsschädlichem Färbungsmittel stehen. Viele Konsumenten verschliessen Augen und Ohren. Sie kaufen weiterhin bei Kleiderketten, die günstige Ware anbieten und teure Diesel-Jeans, obwohl sie wissen, dass bei einem Brand wieder einmal Hunderte von Näherinnen dieser Produkte ums Leben gekommen sind. Weil das Gebäude sanierungsbedürftig war und die Umsatz-orientierten Unternehmer sich nicht nachhaltig um faire und sichere Arbeitsbedingungen kümmern.

Auch in unseren Breitengraden steht der Profit an erster Stelle. Bei uns gehören Sonntags-Verkäufe zur Adventszeit. Sie entsprechen einem Bedürfnis, würden wohl viele sagen. Das Verkaufspersonal wird nicht gefragt, ob es diese Sonntage nicht lieber mit ihren Familien verbringen würde. Teils absurde Werbe-Spots im Fernsehen suggerieren derzeit besonders oft, dass uns der Kauf gewisser Produkte glücklicher und zufriedener machen würde. Anbieter billiger Flüge buhlen um unsere Gunst und bringen durch ihre Preispolitik unseren Planeten immer mehr aus seinem Gleichgewicht. An Klima- und Umweltgipfeln wird dies kaum diskutiert. Die günstigen Flugpreise drücken auf die Löhne des Flugpersonals: Sie kriegen weniger Geld und müssen mehr arbeiten. Stets geht es darum, den Umsatz zu steigern. Auf Arbeitende und Umwelt wird keine Rücksicht genommen. Firmen wie die Schweizerische Glencore beuten in anderen Ländern Rohstoffe aus und sprengen dafür auch einmal einen für die indigene Bevölkerung Heiligen Berg. Der Zweck heiligt die Mittel. Um Palmfett zu erzeugen, werden massenhaft Bäume gefällt. Gewisse Esswaren und Hygieneartikel schaden unserer Gesundheit, aber wir wissen nicht, welche. Ausser vielleicht, wir laufen mit der aktivierten CodeCheck-App durch den Laden und scannen die Produkte. Niemand verhindert, dass Nahrung und andere Artikel, die uns nicht gut tun, auf den Markt kommen. Freie Marktwirtschaft über alles! Unternehmer wollen kein Diktat des Staates oder einer anderen Instanz. Sie beanspruchen die Freiheit des Unternehmertums für sich, um sich auf Kosten anderer zu bereichern. Aus dem Kapitalismus heraus bilden sich konforme und manipulierbare Individuen, die ein träges, bequemes Leben führen. Stille Nacht! Heilige Nacht! Alles schläft. Früher oder später würgen die Tentakel des perversen Kapitalismus auch uns und für einmal werden dann auch wir zu seinen Opfern.


Rosmarie Schoop,
12.12.2017, 116. Jahrgang, Nr. 346.

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Standpunkte:

21.12.2017, 12:04 Uhr.

Michaela Brunner schrieb:

Viele der Missstände sind eine traurige & eine unerwünschte Realität. Ich kann und möchte diese Probleme jedoch nicht so schwarz-weiss, darstellen wie die Autorin: Auf der einen Seite der zerstörerische & böse Kapitalismus & auf der anderen Seite der gute Antikapitalismus. Dass Unternehmer generell die Freiheit beanspruchenn, um sich auf Kosten anderer zu bereichern, empfinde ich als eine wüste Unterstellung. Unsere Welt wird immer globaler. Noch nicht so lange wissen wir, dass so manche Billigpreise nur auf Kosten der Umwelt & der Arbeistbedingungen & Gesundheit anderer Menschen möglich sind. Wir sind am Lernen & in einer Phase in welcher uns dies bewusst wird & wo dieses Bewusstsein unser Handeln beeinflusst. Die Macht von Grosskonzernen ist heute zu gross.


14.12.2017, 10:49 Uhr.

Veronika Herzig schrieb:

Du hast ja so recht, Rosmarie. Abe die unbestrittenen und allseits bekannten
Tatsachen, die Du aufführst, werden meist achselzuckend hingenommen.
Hauptsache, man kann so leben wie bisher: kaufen, was "Spass" macht,
verreisen, um etwas zu "erleben" - und vielleicht bei Gelegenheit etwas spenden
"für einen guten Zweck". Aber eben: Wer von den " Tentakeln des Kapitalismus"
spricht bzw. schreibt, macht sich verdächtig.


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