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«Wandzeitung» vom 17.2.2017:

Ein Quäntchen von Hoffnung bleibt:

Hindernislauf: Frohgemut älter werden.

In diesen Tagen erhielt ich einen Flyer mit dem Titel: «Leben im Garten des Alters». Da wird geschildert, wie der Garten auch das Alter liebevoll und sorgsam gepflegt werden müsse. In Vortrags- und Diskussionsrunden sollen verschiedenste Aspekte des Älterwerdens beleuchtet werden, etwa «Dankbarkeit und Hoffnung, Schwächen bejahen und Chancen erkennen». – «Jedem Menschen stehen viele Möglichkeiten zur Verfügung, mit Vergangenem und Kommendem, dankbar und hoffnungsvoll umzugehen». Entspannt? Weitere Schlagworte machen stutzig: «Auf die Zukunft kommt es an» oder «Wer bin ich?» Sind das Fragen für alte Menschen? Wohl eher das Kapitel «Sich auf das Sterben und den Tod vorbereiten».

Ich werde Leserbriefe schreiben, das ist eines meiner Hobbys. Bergsteigen und andere sportliche Betätigungen sind nicht mehr möglich – die Lunge, das Herz, die Knie, sie wollen nicht mehr mitmachen. So pflege ich im «Garten des Lebens» das Schreiben von Artikeln und Leserbriefen. Reaktionen gibt es selten, aber doch hin und wieder ein Echo. Zum kürzlich veröffentlichten Leserbrief über die absurde, demagogische SVP-Politik gab’s eine Antwort: «Schön, dass Sie sich in Ihrem Alter noch aufregen können». Eine Reaktion einer überraschten Leserin, wird doch das Alter mit Gelassenheit gleich gesetzt, vielleicht auch mit Weisheit.

Das ist auch das einzige, was noch wachsen kann, in anderen Bereichen sind bereits erwähnte Defizite zu beklagen. Klagen? Gemäss dem «Altersgarten-Flyer» sehen wir immer besser, dass unser Wert nicht von Leistung, Können, Besitz oder Ansehen abhängt.

Wir Älteren haben schon viel erlebt, ganz unterschiedliche Menschen kennengelernt, viel erfahren, die unterschiedlichsten Sichtweisen, Kulturen und Religionen sind uns nicht fremd. So wäre zunehmende Weisheit zu erwarten. Ist das Älterwerden auch verbunden mit Altersstarrheit? Viele jüngere Menschen werden dieser Aussage zustimmen. Eine gewisse Altersstarrheit ist nicht nur negativ, denn sie hilft, das beschwerlichere Leben besser zu meistern. Alles hat seinen klar strukturierten Ablauf, alles seinen Platz und seine Ordnung. Ist die ältere Person aber auch noch weise merkt sie, wann von starren Regeln abzuweichen ist, sie kann Wichtiges von Unwichtigem unterscheiden. Hat «weise werden» auch damit zu tun, der Sache ihren Lauf nehmen zu lassen? In höhere Sphären zu entschwinden, die «böse Welt» hinter sich zu lassen? Doch das ist der Schritt zur Resignation.

Wir glaubten, mit unserer Generation breche eine neue, bessere Welt an. Die Gesellschaft ändert sich, sie hat sich in jeder Generation verändert. Werte erhalten eine andere Gewichtung, doch das Grundbedürfnis nach Liebe und Geborgenheit, das Streben nach Macht, Einfluss und Anerkennung bleiben unverändert. Wenn ich allerdings sehe, was derzeit vorgeht – da kann ich nicht «in höhere Sphären entschwinden», werde in meinen alten Tagen nicht gelassen, sondern zornig. Ich muss aber meine weitgehende Hilflosigkeit gegenüber vielen negativen Entwicklungen akzeptieren.

So bleibt nur das Schreiben – und das Bestmögliche im kleinen Umfeld zu tun. Die Gartenarbeit hat eine Ventilfunktion und ein Quäntchen von Hoffnung bleibt.


Haymo Empl,
17.2.2017, 116. Jahrgang, Nr. 48.

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