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«Wandzeitung» vom 17.4.2017:

Christliche Kirchen sollten noch viel enger zusammenarbeiten:

Kirchen wohin?

Jeden Dienstagabend widmet sich die SRF-Diskussionssendung einem gesellschaftspolitischen Thema. Am 2. April 2017 setzten sich die Teilnehmenden mit der Frage «Was gibt uns noch Halt?» auseinander. Ich hätte erwartet, dass auch die Meinung der Kirchen zu diesem wichtigen Thema einfliessen werde. Zwei Teilnehmerinnen erwähnten beiläufig, dass sie aus der Kirche ausgetreten seien. In der Kindheit hätten sie die feierlichen Riten der katholischen Kirche fasziniert, später aber eine verkalkte, rückwärtsgewandte Kirche abgeschreckt. Relevant für die fünf Diskussionsteilnehmenden waren nicht die Kirche, sondern die Familie, ein guter Freundeskreis, ein Ort der Stille, Musik, ein gesundes Selbstvertrauen.

Was machen die Kirchen falsch, dass sie nur noch für eine Minderheit der Westeuropäer eine Anziehungskraft ausüben? Der Einwohnerbestand der Stadt Winterthur weist 26 006 Katholiken und 34 743 Reformierte auf. In unserer Stadt sind also noch 31 Prozent reformiert, 23 Prozent römisch-katholisch. Die Zahl der Konfessionslosen hat die Zahl der Katholiken erreicht. Beide Landeskirchen verlieren jedes Jahr über ein Prozent ihrer Mitglieder. Das erscheint als wenig, aber die Zahl der Konfessionslosen hat sich seit dem Jahr 2000 verdoppelt. Die Gründe? Darüber wurde schon viel geschrieben und diskutiert. Beschäftigt sich die Kirche zu viel mit sich selber? (Bischof Vitus Huonder) Gibt es zu wenig gute Prediger, welche die Gläubigen mit ihren Worten zu fesseln vermögen? Nehmen die Kirchen zu wenig Stellung zu wichtigen, gesellschaftspolitischen Problemen? Den Kirchen wird eine hohe soziale Kompetenz zugesprochen. «Sie tun viel Gutes.» Doch sie sind nicht einfach nur soziale Institutionen. Die Menschen suchen auch heute noch, vielleicht noch mehr als früher, nach dem Sinn des Lebens, nach immateriellen Werten. Die Kirchen vermögen offensichtlich diese Aufgabe immer weniger zu erfüllen.

Menschen suchen eine gewisse Geborgenheit, eine kirchliche Heimat. Die Kirchgemeinde, die Pfarrei als kleine Gemeinschaft kann sie bieten. Als Beispiel diene die Gemeinde Glarus Süd mit fünf reformierten Kirchgemeinden und 4732 Gläubigen. Hier erfolgte letztes Jahr mit 0,44 Prozent weniger als die Hälfte der Kirchenaustritte im Vergleich zu Winterthur.

Die Club-Diskussionsrunde vom 2. April thematisierte auch die grosse Unsicherheit, die Ängste vieler Menschen. Ob der Spruch der Zen-Meisterin Anna Gamma: «Ein Baum der umfällt, macht mehr Lärm als ein ganzer Wald, der wächst» den verunsicherten Menschen weiter hilft? Ob der Trost, wir in der Schweiz hätten es ja sehr gut und jammerten auf hohem Niveau, die Menschen zufriedener macht?

Die Kirchen dürfen nicht ruhen im Bemühen, wieder mehr Menschen «Halt zu geben». Als Katholik erwarte ich, dass sich meine Kirche den Frauen öffnet, dass das Kirchenrecht, bestehend aus 1752 Paragrafen revidiert wird, dass sich die verknöcherte, auf und in Rom konzentrierte Kurie massiv verändert … und dass die christlichen Kirchen noch viel enger zusammenarbeiten.


Haymo Empl,
17.4.2017, 116. Jahrgang, Nr. 107.

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