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«Wandzeitung» vom 15.7.2017:

Eine russische Menschenrechtsorganisation kämpft mit Transparenz gegen Justizwillkür:

Russland spürt seine Schmerzen.

Die Willkür und Brutalität in Russlands Justizapparat sorgen immer immer wieder für Aufsehen – ein kurzes mediales Aufsehen, auf das die meisten nicht wirklich reagieren und weder Rechtfertigung noch Konsequenzen fordert. Drakonische Urteile für Bagatelldelikte und Misshandlungen auf Polizeiwachen und in Straflagern wecken bei vielen Russen nicht mehr als ein Schulterzucken, begleitet von der Bemerkung, die russische Obrigkeit liebe eben ihr eigenes Volk nicht, und das sei schon immer so gewesen.

Für mich gibt es dann nur die eine Erklärung, dass ein derart traumatisiertes Volk immer noch abgestumpft ist durch die Schläge in der eigenen Geschichte und deshalb seine eigenen Schmerzen nicht spürt. Oder vielleicht doch?

Während der letzten Monate tauchte in den Schlagzeilen über Festnahmen an Protestveranstaltungen immer öfter die Abkürzung «OVD»-Info» auf – die Abkürzung «OVD» steht für die Organe des Innenministeriums. OVD.info gibt Antwort auf die einfachen Fragen: Wer kommt rein, und wer kommt raus? Trockene Fakten über Festnahmen, Urteile und Freilassungen in ganz Russland.

Die kleine Menschenrechtsorganisation, bestehend aus JournalistInnen, JuristInnen, ProgrammistInnen und zahlreichen Freiwilligen, sammelt, prüft und veröffentlich Informationen über politisch Verfolgte. Sie registriert und beantwortet die Anfragen durch Angehörige von Opfern und gibt ihnen juristische Unterstützung. Zu ihrer Arbeit gehört auch die Nachfrage bei Polizei und Behörden über den Verbleib Festgenommener. Zum einen werden dadurch die Menschenrechts-Ombudsfrauen und -Männer entlastet, zum anderen Schummeleien über die Zahl von Festnahmen verhindert.

Wie die Organisation selber schreibt, glauben ihre Mitglieder daran, dass «Information befreit und schützt.» Denn es ist klar, dass Behörden, die sich beobachtet fühlen, anders handeln, als wenn sie heimlich tun können, was sie wollen.

Die Arbeit von OVD.info tut Not. Während der vergangenen Antikorruptionsdemos am 12. Juni wurden allein in St. Petersburg hunderte Personen in Polizeibusse gepackt und danach tagelang auf Polizeiwachen festgehalten, weil die Gerichte überlastet waren.

Allein die unmöglichen Haftbedingungen in überfüllten Zellen mit keinen oder schlechten Schlafgelegenheiten waren eine Art von Folter. Neben Schlägen kam es auch zu anderen sadistischen Massnahmen, so wurde in einem Petersburger Polizeigefängnis Gas in eine Zelle gepumpt, um einen widerspenstigen Häftling «ruhig zu stellen.»

Transparenz im Kampf gegen Unrecht gehört seit jeher zu den Grundprinzipien der Menschenrechtsbewegung. Ich erinnere mich an meine Kindheit als meine Mutter als Mitglied von Amnesty International Briefe zur Freilassung der Opfern von Diktaturen schrieb. «Wir wissen, was ihr tut!» – allein diese Gewissenheit erweichte manches totalitäre Regime.

Auch in Russland kam der Protest gegen Unrecht bisher vielfach von aussen. Die Protestnoten aus dem Ausland wurden aber oft als Besserwisserei und Einmischung empfunden. Darauf ist Russland immer weniger angewiesen, es beginnt, auf sich selbst aufzupassen.

 

 


Eugen von Arb,
15.7.2017, 116. Jahrgang, Nr. 196.

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