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«Wandzeitung» vom 30.12.2017:

Vergeht die Zeit im Alter wirklich schneller?

Und schon wieder ist ein Jahr verflogen.

Ich kann mich noch gut erinnern, wie ich mir als Kind die Adventszeit herbeigesehnt habe. Die Herbstferien waren vorbei, die Tage wurden kürzer und ich fing an die Wochen und Tage zu zählen, bis ich endlich das erste Törchen des Adventkalenders öffnen durfte. Aber das Resultat war in der Schulzeit Jahr für Jahr das gleiche; es erschien mir wie ein halbe Ewigkeit zu dauern. So viele langweilige Mathestunden musste ich über mich ergehen lassen, so manchen Test überleben und viel zu oft am Morgen in aller Herrgottsfrühe in der Dunkelheit auf mein Velo steigen.

Und heute? Heute scheint mir, ich habe kaum die Wäscheberge aus den Herbstferien erledigt und schon sollte der Adventskalender für den Sohnemann fertig sein. Ich geniesse noch die letzten Sonnenstunden im T-Shirt, während beim orangen Riesen bereits die Samichläuse ausgestellt werden. Meine Zeitwahrnehmung hat sich stark verändert und wie es mir scheint, leide nicht nur ich unter diesem Phänomen. Wenn ein Jahr zu Ende geht, fragen sich viele Menschen wo die Zeit nur geblieben ist. Und nicht wenige teilen meinen Eindruck, dass die Zeit mit fortschreitendem Alter immer schneller vergeht. Ist dem wirklich so? Und wenn ja, können wir uns irgendwie dagegen wehren? Die Psychologie hat verschiedene Erklärungen und Theorien dazu entwickelt, aber Einigkeit herrscht keine.

Ich habe für mich einen passenden Ansatz gefunden: Er besagt, dass unsere Zeitwahrnehmung darauf beruht, wie viele neue Dinge wir in unserem Gedächtnis abspeichern. Wir nehmen sozusagen nur die Zeit bewusst wahr, in der wir viel Neues gespeichert haben. Von der Kindheit bis zum frühen Erwachsenenalter machen wir alle viele neue Erfahrungen und erwerben unzählige neue Fähigkeiten. Später, wenn die unbeschwerten Jungendjahre vorbei sind, besteht unser Alltag mehr und mehr in Routine und wir erleben weniger Neues. Somit nehmen wir diese Zeit weniger wahr, oder mehr noch, sie scheint geradezu zu verfliegen.

Doch das Beste dieses Ansatzes ist, dass er uns die Möglichkeit bietet, etwas gegen das Gefühl der „davonrasenden“ Zeit unternehmen zu können: Wir können die Zeitwahrnehmung verlangsamen, indem wir öfter mal wieder etwas Neues entdecken und erleben! Wir müssen unser Gehirn auf Trab halten, indem wir immer wieder neue Fähigkeiten erlernen, Unbekanntes ausprobieren oder neue Orte erforschen. So durchbrechen wir die Alltagsroutine und füllen unser Gedächtnis mit neuen Erinnerungen.

Ich kann die Zeit nicht anhalten, aber ich kann versuchen sie bewusster wahrzunehmen, indem ich der Alltagroutine den Kampf ansage. Das klingt nach einem spannenden Projekt für nächstes Jahr - oder?

 


Bea Studler,
30.12.2017, 116. Jahrgang, Nr. 364.

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