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«Wandzeitung» vom 12.10.2014:

Trotz Erwerbsarbeit reicht das Geld nicht:

Sozialhilfe unter Druck.

Erika ist seit drei Jahren von der Sozialhilfe abhängig. Die Büroangestellte hatte ihren Job verloren und blieb arbeitslos. Die über 50-jährige Frau wohnte mit ihrer 20-jährigen Tochter in einer 3 -Zimmerwohnung für 1350 Franken Miete. Als die Tochter auszog verfügte das Sozialamt, die Mutter müsse eine neue Bleibe suchen – für nicht mehr als 1000 Franken. Erika sucht seither eine günstigere Wohnung. Nur – diese günstigere Wohnung gibt es nicht!

Anna arbeitet in einem Schuhladen. Sie hat eine abgeschlossene Berufslehre als Verkäuferin gemacht. Sie ist 55 Jahre alt und hat immer im Verkauf gearbeitet. Als alleinerziehende Mutter zuerst teilzeitlich, dann als die Kinder selbständig genug waren, vollzeitlich. Doch das ist eine Weile her und Vollzeitstellen für Schuhverkäuferinnen gibt es nicht mehr – ausser bei den Filialleiterinnen. Anna arbeitet seit einigen Jahren auf Abruf. Das heisst, wenn das Geschäft sie brauchen kann, wird sie gerufen. Geld verdienen tut sie nur, wenn sie arbeiten kann. Dieses Geld reicht ihr manchmal, um über die Runden zu kommen, manchmal aber auch nicht – und dann muss sie diesen demütigenden Gang zum Sozialamt antreten. Dort wird ihr dringend geraten, sich endlich eine Vollzeitstelle zu suchen. Anna sucht diese schon seit Jahren. Nur – diese Vollzeitstelle gibt es nicht!

Fritz hat ebenfalls eine Berufslehre gemacht. Als Mechaniker in einer traditionsreichen Produktionsfirma. Ihr ist er sein ganzes Arbeitsleben treu geblieben. Bis an ihr Ende, als sie vor drei Jahren an einen französischen Multi verkauft wurde. Seither sucht er eine neue Arbeitsstelle. Mit 59 Jahren wurde er jetzt ausgesteuert und ist auf die Sozialhilfe seiner Wohnortsgemeinde angewiesen. Er schämt sich sehr dafür. Fritz wird vom Sozialamt angehalten, einen Arbeitgeber zu suchen, der ihm als bald 60-jährigem die Chance für einen nochmaligen Wiedereinstieg in die Arbeitswelt bieten würde. Nur – diesen Arbeitgeber gibt es nicht! Diese traurigen Beispiele könnten leider beliebig erweitert werden und es erstaunt deshalb nicht allzu sehr, dass die Zahl der Sozialhilfeempfangenden in den letzten Jahren stetig angewachsen ist. Diese Zunahme liegt weit über dem, was auf den Bevölkerungszuwachs zurückzuführen ist. Waren es 1970 noch geschätzte 30 000 Personen, stieg die Zahl bis 2012 auf über 250 000 an.

Dieser massive Anstieg der Sozialhilfeempfangendnen und der damit verbundenen Ausgaben bleibt nicht ohne politische Reaktion. Der politische Druck auf die Sozialhilfe und der von ihnen abhängigen Menschen wird immer grösser. Zuerst von rechter Seite, dann aber immer mehr auch aus der politschen Mitte. Diesem Druck gilt es entschieden entgegenzutreten und einen Gegendruck aufzubauen – ansonsten wird er die Schwächsten in unserer Gesellschaft hart und schonungslos treffen.


Ludi Fuchs,
12.10.2014, 113. Jahrgang, Nr. 129.

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