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«Wandzeitung» vom 31.10.2014:

Gedanken eines Schweizers über:

Christliche Werte?!

«Ich stehe zu den christlichen Werten und fühle mich diesen sehr verbunden!», sagte der Winterthurer Kantonsrat und Polizist René Isler anlässlich eines Podiumsgesprächs im Frühling dieses Jahres, als es um Abstimmung über die Initiative zur Abschaffung der Kirchensteuer für juristische Personen ging. Trotz diesem mehrfach wiederholten Bekenntnis zu den christlichen Werten lehnte der SVP-Parlamentarier das gegenwärtige Kirchenfinanzierungsmodell im Kanton Zürich ab. Zum Glück ist ihm am 18. Mai eine eindrückliche Mehrheit von 72 Prozent der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger nicht gefolgt.

Was meinen wohl rechte Politiker, wenn sie immer wieder betonen, dass die Schweiz doch zum abendländisch-christlichen Kulturraum gehört – und ihr daher der Islam samt Minaretten fremd sei – und die christliche Werte bei uns so hochhalten?

Was sind denn typische Werte, die in der Schweiz gelten? Ich nenne ein paar, die mir spontan in den Sinn kommen: Verlässlichkeit, Genauigkeit, Pünktlichkeit, Fleiss, Korrekt-Sein. Das sind alles sehr ehrbare Tugenden, aber sicher nicht besonders christliche Werte. Dabei handelt es sich eher um Grundhaltungen, die mit unserer Wintermentalität zu tun haben. Eine Gesellschaft, die seit Jahrtausenden im kalten und lebensbedrohlichen Winter zu überleben gelernt hat, wird mit der Zeit planend, zuverlässig arbeitsam. Menschen, die durch ein Sommerklima geprägt sind, haben einen leichtfüssigeren Lebensstil, können spontaner sein und manchmal dem «Dolce-far-niente» frönen.

 

 

Christliche Werte im eigentlichen Sinn ergeben sich aus einer christlichen Sicht auf die Welt und unser Leben. Im Glauben an die Welt als Schöpfung und den Menschen als Geschöpf bilden wir eine umfassende Einheit, die zusammengehört. In diesem grossen Miteinander haben Starke und Reiche die Aufgabe, ihre Stärke und ihren Reichtum in den Dienst der Allgemeinheit zu stellen; heute heisst das: «soziale Umverteilung» – gegen allen Egoismus und blosse Profitgier. Und die Schwächeren sollen Unterstützung und Hilfe – am besten Hilfe zur Selbsthilfe – erfahren; heute nennt man das «empowerment» – gegen alle Ausgrenzung, Demütigung, Ausbeutung und Abstemplung als «Sozialschmarotzer». Und die Fremden? Dazu steht in der Bibel: «Du sollst den Fremden lieben wie dich selbst». Martin Buber hat übersetzt: «denn er ist wie du». Zudem haben wir Menschen den Schöpfungsauftrag, die uns anvertraute Erde – wie den Paradiesgarten – zu bebauen und zu behüten, nicht zu zerstören.

Die unantastbare Würde jedes einzelnen Menschen, biblisch begründet durch seine Erschaffung als «Ebenbild Gottes», die Ermutigung zur bedingungslosen Nächstenliebe, die von der Botschaft Jesu ausgeht, die weltweite Schöpfungsgemeinschaft, in der niemand nur für sich selber sorgen darf und alle füreinander Verantwortung tragen – das sind für mich wertvolle Impulse aus dem christlichen Glauben für das Zusammenleben auch in unserem Land. Welche Politikerinnen und Politiker orientieren sich wohl daran?


Hugo Gehring,
31.10.2014, 113. Jahrgang, Nr. 148.

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