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«Wandzeitung» vom 11.7.2015:

OXI:

Die Angst hat die Seiten gewechselt.

Man sollte vorsichtig sein mit grossen Formulierungen, aber das Nein der Griechen beim Referendum über die Gläubiger-Bedingungen ist historisch zu nennen. Nicht etwa, weil nun schon bald alles besser würde. Im Gegenteil: Die Auseinandersetzung um die Krisenpolitik und der Druck eines Teils der Gläubiger-Staaten werden bruchlos weitergehen. Auch gibt es keinen Grund, nun keine Sorge mehr um Griechenland zu haben, um die Menschen dort, die seit 2010 die Folgen der Austeritätspolitik so bitter zu spüren bekommen. Nicht zu Ende ist auch das Ringen darum, dass eine linksgeführte Regierung Bestand und Spielraum hat, die sich für ihr Nein zu den herrschenden Vorstellungen über Europa, den Euro und den Umgang mit dem Schuldenproblem nun ein neues, stärkeres Mandat der Wähler holte.

Von grosser, über den Tag hinausreichender Tragweite ist aber die symbolische Bedeutung des Ergebnisses des griechischen Referendums. Millionen Menschen haben den Kopf oben behalten, trotz all des europaweiten Drucks, der Drohungen, der Verunsicherungen. Griechenland hat ein Nein in eine Welt der kapitalistischen Herrschaft hinausgerufen, deren Sachwalter mit einem solchen Votum schon nicht mehr rechneten. Es ging bei dieser Abstimmung nicht um die Zugehörigkeit zum Euro, es ging nicht um ein längst ausgelaufenes Kreditprogramm, es ging auch nicht um die nun tatsächlich anstehende Frage, wie es bei all den Eurogruppen-Eiltreffen und EU-Sondergipfeln weitergeht.

Es ging an diesem 5. Juli in Griechenland vor allem darum, ob eine demokratische Entscheidung gegen den eiskalten Wind der Alternativlosigkeit, gegen die «gefährlichste Idee Europas» – die der Austerität – in einem souveränen Akt möglich ist. Und sie ist es.

Die Griechen haben «Oxi» gesagt, und in diesem Nein steckt die Botschaft, sich von der Angst, auf der die herrschenden Verhältnisse sich gründen, nicht mehr bange machen zu lassen. Das ist das Historische daran. Es wird nicht einfacher werden, nicht einmal ein bisschen. Jedoch: Die Angst hat an diesem Tag die Seiten gewechselt. Sie ist durch das Votum der Menschen in Griechenland zu jenen hinübergeworfen worden, die sich bisher sicher sein konnten, mit ihr den wirksamsten Hebel zu Niederhaltung der Interessen einer Mehrheit in der Hand zu halten. Haben sie diesen noch?

Klar: Nichts ist aufgehoben, nicht die Asymmetrie der Kräfte in den Verhandlungen, in denen es um die Zukunft des griechischen Schuldenproblems geht, nicht die Herausforderung, die SYRIZA angenommen hat mit dem Versuch, unter den gegebenen Bedingungen einen alternativen Pfad einzuschlagen, nicht die Fragen, die sich eine europäische Linke zu stellen hat, die sich nun über das «Oxi» freut, aber am Erfolg des Neins nicht wirklich sehr grossen Anteil hat. Es ist dennoch ein großer Tag – für all jene, die sich die Hoffnung nicht nehmen lassen wollen, dass eine andere Welt möglich ist. Aber leichter wird es nicht.

 

 


Ludi Fuchs,
11.7.2015, 114. Jahrgang, Nr. 192.

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Standpunkte:

12.7.2015, 13:39 Uhr.

Pierre-François Bocion schrieb:

Es ist zu hoffen, dass auch die Linken in der Schweiz aus dem «Nein» in Griechenland die Schlussfolgerung ziehen, dass die EU erpresst – auch die Schweiz, Personenfreizügigkeit. Es ist schade, dass die Bundespräsidentin, SP, uneinsichtig ist und in Europa sinnlos herum reist und vor den Regierungen herum kriecht wie einst Adolf Oggi, SVP, nach dem EWR-Nein.


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